Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Greßbritaunien. (Juni 29. 30.) 785 
kritisierte, daß das Kriegsministerium erst jetzt mit gußeisernen Brisanz- 
geschossen Versuche anstelle, während die Deutschen schon Millionen davon 
gebrauchten. 
Hodge (Arbeiterpartei) trat für die Bill ein, meinte aber, Einzel- 
heiten müßten verbessert werden. Streike seien während des Krieges un- 
denkbar. Die Arbeitsstreitigkeiten der letzten Monate seien durch die Steige- 
rung der Lebensmittelpreise entstanden. Lloyd George werde übergenug 
freiwillige Arbeiter bekommen. Die Schwierigkeit liege vielmehr an dem 
Mangel an Maschinen für die Herstellung von Munition. Die Arbeiter- 
partei bekämpfe im Prinzip die Bill nicht. 
Snowden (Arbeiterpartei) bestritt, daß Hodge die Ueber zeugung der 
Gewerkschaften ausgesprochen habe. In der Konferenz der Gewerkschafts- 
vertreter mit Lloynd George, in der die Berg= und Tertilarbeiter nicht ver- 
treten gewesen seien, habe ein Drittel der Vertreter gegen die Munitions- 
bill gestimmt. Streike seien in dieser Zeit undenkbar, aber die Regierung 
habe die Berechtigung der Bill nicht dargetan. Der Redner wies nach, daß 
die Regierung das Arsenal in Woolwich nicht voll ausgenützt habe, und 
protestierte dagegen, daß der Munitionsminister die Vollmacht erhalte, in 
den unter die Bill fallenden Anstalten nach Belieben Verordnungen zu 
erlassen. 
Pringle (lib.); An dem Mißverständnisse über den Ernst und die 
Dauer des Krieges sind teilweise schuld die Preßberichte des Hauptquartiers. 
Der bekannte „Augenzeuge“ im Hauptquartier berichtete vor einigen Mo- 
naten, daß die deutschen Munitionsvorräte erschöpft seien und daß Geschosse 
alten Typs verwendet würden. Der Redner kritisiert die Vorlage scharf 
und bekämpft die unbegrenzte Vollmacht und die Diktatur mit ihren sehr 
schlimmen Folgen. Viele, die geholfen hätten, jene Diktatur zu begründen, 
hätten jetzt ihr gefallenes Idol angegriffen. Man wünsche nicht, daß auch 
Lloyd George ein gefallenes Idol werde. 
Darauf wurde nach kurzen Bemerkungen des Ministers Lloyd George 
die Vorlage in zweiter Lesung angenommen. 
29. Juni. (Unterhaus.) Erste Lesung des Gesetzes über Auf- 
stellung eines „nationalen Registers“. 
Der Gesetzentwurf bestimmt, daß alle Frauen und Männer von 15 
bis 65 Jahren in Großbritannien und Irland zur Eintragung in ein 
nationales Register verpflichtet werden. Wer sich der Registrierung entzieht 
und sein Formular nicht am bestimmten Tag ausfüllt, zahlt 5 Pfund und 
für jeden weiteren Tag ein weiteres Pfund Buße. Die Registrierung soll 
durch die Ortsbehörden nach dem Muster der Volkszählung mit Hilfe frei- 
williger Mitarbeiter ausgeführt werden. 
Der Präsident der Lokalverwaltung Long, der das Gesetz einbringt, 
weist nachdrücklich auf die Notwendigkeit hin, Englands industrielle und 
finanzielle Position zu wahren. Das Gesetz bezwecke, die Mittel zu einer 
Organisation zu schaffen, um ein Maximum der nationalen Produktion bei 
einem Minimum der Kosten zu erreichen. Es werde danach getrachtet werden, 
alle Arbeitskräfte so intensiv wie möglich für den Staat zu verwenden. 
30. Juni. (Unterhaus.) Beim Marineetat wird der Antrag 
angenommen, das Personal der Marine um 50000 Mann zu 
vergrößern. 
Der Finanzsekretär der Marine Mac Namaro sagt, daß durch diese 
Erhöhung die Gesamtheit der Truppen der Flotte von 250000 auf 300000 
50“
	        
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