Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Großbritanzien. (Juli. 6. 8.) 789 
man nach einigen Monaten ebenso wie bei der Munitionsvorlage sagen, 
warum sie nicht längst eingebracht worden sei. Die Lage könne in zwei 
bis drei Monaten viel schlimmer sein. Die Vorlage mache die Registrie- 
rung obligatorisch; aber habe nicht das Versicherungsgesetz auch Zwang 
enthalten? 
Sir T. Whittaker (lib.) erklärt, die Vorlage führe zum Staatszwang; 
dessen Folgen seien aber so ernst und abscheulich, daß erst seine Notwendig- 
keit erwiesen werden müßte. Das Gesetz werde die Einigkeit des Landes 
untergraben. Im Kabinett befänden sich Männer, zu denen er in dieser 
Frage kein Vertrauen habe. Gerüchte gingen um, daß es gespalten sei, 
alles weise darauf hin, daß die Vorlage das Ergebnis eines uneinigen 
Kabinetts sei. Die Frauen seien in der Registrierung von denen ein- 
geschlossen worden, die sie zum Scheitern bringen wollten. Die Vorlage 
sei die erste wahre Frucht des Koalitionskabinetts und verrate seine Schwäche. 
Die Registrierung allein habe keinen Zweck, sie sei nur das Mittel zu einem 
anderen Zweck. Whittaker beantragt schließlich, die Vorlage zurückzustellen, 
bis ihre Notwendigkeit erwiesen sei. 
Der frühere Minister Robertson sagt, die Mißgriffe bei der An- 
werbung von Soldaten könnten auch ohne diese Vorlage vermieden werden. 
Ueber die Arbeitskräfte des Landes gebe der Produktionszensus den besten 
Aufschluß. Für die Vorlage finde sich keine andere Erklärung, als daß sie 
ein Zugeständnis an die Presse sei. Wenn die Regierung die gewerblichen 
Kräfte des Landes mobilisieren und organisieren wolle, sei es unverständ- 
lich, weshalb auch alle Frauen, Knaben und Mädchen zwischen 15 und 
65 Jahren eingetragen werden sollen. Das Gesetz sei nutzlos und nur als 
Mittel zu einem anderen Zweck verständlich. — Die Unionisten Duke und 
Hayes Fisher treten für die Vorlage ein. — Snowden (Urbeiterpartei) 
bezeichnet sie als einen beispiellosen Eingriff in die persönlichen Rechte des 
Volkes. Die Reden für sie seien von der Idee des Staatszwanges durch- 
tränkt. Lord Northeliffe habe die alte Regierung gestürzt und diktiere die 
Politik des jetzigen Kabinetts. — Minister Henderson bezeichnet die Vor- 
lage als eine notwendige Vorsichtsmaßregel. Er teilt mit, daß bei einem 
früheren privaten Registrierungsversuch im letzten Winter 45 %% der Frage- 
bogen unbeantwortet geblieben seien. Daher sei jetzt ein obligatorisches Ver- 
fahren notwendig. — Der frühere Minister Hobhouse betont, daß die 
Vorlage eine viel stärkere Erregung im Hause hervorgerufen habe, als jemals 
seit dem August zu beobachten gewesen sei. Die Regierung möge Zugeständ- 
nisse machen. — Schatzkanzler Mac Kenna bezeichnet sie als eine reine 
Volkszählungsvorlage. 
Die Vorlage wird hierauf mit 253 gegen 30 Stimmen in zweiter 
Lesung angenommen. 
6. Juli. Lord Fisher wird zum Vorsitzenden der Kommission 
für Erfindungen ernannt. 
Sie soll die Admiralität unterstützen, wissenschaftliche Erfindungen und 
Entdeckungen für die Marine nutzbar zu machen. 
8. Juli. (Oberhaus.) Bei Beratung der fünften Kriegs- 
kreditvorlage (s. oben S. 775) erfährt die Finanzpolitik der Regierung 
seitens mehrerer Lords, unter ihnen auch Haldanes, eine scharfe Kritik. 
Lord Middleton bringt eine Resolution ein, daß die Regierung 
Schritte tun müsse, um die nichtmilitärischen Staatsausgaben zu 
verringern. Er sagt, daß die letzten Tage eine beträchtlich veränderte Hal-
	        
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