Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

796 Grebbriklansien. (Juli 28.) 
wolle als Bannware erkläre, so würde dies nichts helfen, da dann England 
erst die Ladungen als Prisen erklären, aber doch nicht verhindern könne, daß 
Baumwolle nach neutralen Ländern gehe, da es unmöglich sei, zu beweisen, 
daß die Baumwolle in das feindliche Land weitergesandt werde. 
28. Juli. (Unterhaus.) Nach bewegter Debatte, in der die 
Unzufriedenheit sich Luft macht, wird Vertagung bis 14. September 
beschlossen. Lloyd George über die Wirkungen des Munitionsgesetzes. 
Wehrpflichtdebatte. Mitteilungen über den Vertrag betr. die Neu- 
tralisierung des Kongobeckens und über Aufstände in Ober-Birma. 
Premierminister Asquith begründet den Antrag auf Vertagung des 
Parlaments und gibt folgenden Ueberblick über die allgemeine Lage: 
Wenigstens für einige Zeit werde der Krieg eine Frage der Ausdauer sein. 
England wäre undankbar, wenn es nicht die beispiellos tapferen Bemüh- 
ungen der Russen anerkenne, die eindringende Flut aufzuhalten und ihre 
Stellungen unversehrt zu bewahren. Er finde in der ganzen militärischen 
Geschichte kein großartigeres Beispiel von Disziplin und Ausdauer, als 
das von der russischen Armee während der letzten sieben Wochen gegebene. 
Ueber Italien sagte der Ministerpräsident unter dem Beifall des Hauses, 
er anerkenne mit größter Befriedigung und Genugtuung, wie dieser neue 
Verbündete durch umsichtige Bewegungen stetig an Boden gewinne und 
den Weg vorwärts zum Ziele bahne, das er wahrscheinlich in sehr kurzer 
Zeit erreichen werde. In Frankreich gebe es seit Kriegsbeginn keinen Zeit- 
punkt, in dem die beiden Armeen von einer vollkommeneren Brüderlichkeit 
beseelt und siegesgewisser waren als jetzt. Ueber die Flotte brauche er nur 
zu sagen, daß sie so stark, ja noch stärker sei als zu Beginn des Krieges und 
daß die Unterseeboot-Blockade ihr keinen ernstlichen, verhängnisvollen 
Schaden zugefügt habe. Die Meere seien frei; Großbritannien erhalte 
Lebensmittel, gutes Rohmaterial ströme in derselben Fülle und mit der- 
selben Freiheit und — wenn man aus den Versicherungsraten schließen 
dürfe — mit einem ebensowenig ernstlichen Risiko wie in Friedenszeiten 
zu. Das Unterhaus biete heute ein seit Jahrhunderten nicht dagewesenes 
Schauspiel wegen der vielen militärischen Uniformen, die man an den Ab- 
geordneten sehe. Die Rekrutierung gehe unvermindert vorwärts und ihr 
Zustand sei höchst befriedigend. Die letzten Berichte gehörten zu den besten, die 
seit langer Zeit einliefen. Lloyd George, dem geschulte Ratgeber beistünden, 
habe die industrielle Produktion der für die Fortführung des Krieges 
notwendigen Dinge auf einer Grundlage organisiert, wie man sie nie erträumt 
hätte und die den Bedürfnissen Großbritanniens reichlich genügen würde. 
Aber das Land müsse davor gewarnt werden, zu glauben, daß es seine 
nationale Pflicht schon erfüllt habe, wenn die Armee genug Rekruten be- 
komme und die verschiedenen Industrien, die Munition herstellen, genug 
Leute hätten. Großbritannien falle nicht nur die Aufgabe zu, die Freiheit 
der Meere zu erhalten und große Kontingente ausgerüsteter Soldaten auf 
die Schlachtfelder zu senden, sondern auch zu einem großen Teile die Krieg- 
führung zu finanzieren. Wir könnten uns das nicht leisten, ohne alle 
unsere Industrien zu organisieren. Asquith betont die Notwendigkeit, den 
Goldzufluß zu vermehren, um Zahlungen nach dem Auslande leisten zu 
können. Er verglich die gegenwärtige Lage mit der vor einem Jahre und 
sagte: Gebe es eine größere Verleumdung als die, daß die Nation im 
Mutterlande und über See sich ihrer großen Aufgabe nicht gewachsen ge- 
zeigt hätte? Eine noch größere Verleumdung wäre es, zu behaupten, daß 
die tapferen Verbündeten den Anteil Großbritanniens an dem schließlichen
	        
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