Gresbritannien. (Juli 28.) 799
Feind wird Fortschritte hinsichtlich der Bomben und Handgranaten schon
gespürt haben. Zur Herstellung von Granaten wurden 16 staatliche Fabriken
errichtet. Ihre Einrichtung stellte uns vor die Tatsache, daß ein be-
unruhigender Mangel an entsprechenden Maschinen herrscht; und die Re-
gierung beschlagnahmte Drehbänke und Werkzeuge, aber sie fand, daß das
in England vorhandene Material durchaus nicht ausreichte, namentlich
nicht zur Herstellung von Geschossen schweren Kalibers. Alle Fabriken, die
diese Werkzeuge herstellen, sind unter Staatskontrolle gestellt worden. Sie
werden sich in den nächsten Monaten auf die Herstellung von Werkzeugen
beschränken, die für die Anfertigung von Munition notwendig sind. ZJeszt
sind wir gehemmt, weil es an Maschinen und Werkzeugen mangelt. Daher
beschloß die Regierung, zehn neue staatliche Werke zur Herstellung von
Maschinen und Werkzeugen zu errichten. Die freiwillige Munitionsarmee
wird dazu die Arbeiter stellen. Außerdem wird viel Frauenarbeit geleistet
werden. Es sind bereits Schritte unternommen, um die nötigen Gebände
herzustellen. Die Einrichtung der Fabriken wird im Laufe der nächsten
Wochen, jeden falls aber im Laufe der nächsten Monate fertig sein, dann
werden wir die Armee ausrüsten können, wie es die besten Heere Europas
sind. Lloyd George schloß seine Rede, indem er die Intriganten auffordert,
Hände und Zungen vom Munitionsministerium fernzuhalten.
Die Arbeiterparteiler Oodge und Goldstone widersprachen den Aus-
führungen Llond Georges über die Gewerkschaften. Die Liberalen Guest
und Wedgwood sprachen sich für die allgemeine Wehrpflicht aus.
Milliam I(lib.) sagte, der Waliser Ausstand war schlimm; aber er zeigt, daß
die Nation keinen Staatszwang will.
Unterstaatssekretär Tennant meinte, es sei sehr zweifelhaft, ob die mili—
lärische Lage anders sein würde, wenn England eine größere Armee ausgesandt
hätte. Man müsse abwarten, ob die Wehrpflicht notwendig werden würde.
O Brien (brischer Nationalist) erklärte, die Wehrpflicht würde auf den
größten Widerstand der irischen Partei stoßen.
Der Parlaments-Untersekretär für auswärtige Angelegenheiten Lord
Robert Cecil erklärte noch auf eine Anfrage wegen der im Berliner
Vertrag vom 1. Dezember 18384 festgelegten Handelsfreiheit im Kongo-
becken: Der Vertrag sehe vor, daß kriegführende Mächte, welche Gebiete
der Freihandelszone Afrikas besitzen, mit Zustimmung der anderen krieg-
führenden Mächte diese Besitzungen für die Dauer des Krieges neutrali-
sieren könnten. Der Vertrag legt jedoch keiner Macht die bin-
dende Verpflichtung auf, diesen Weg einzuschlagen. Die Frage,
ob die Gebiete der jetzigen Kriegführenden als freie Handelsgebiete in Afrika
neutralisiert werden sollten, sei zu Anfang des August letzten Jahres sorgfältig
erwogen worden. Aber die Ereignisse, die in den ersten zehn Tagen des
Krieges in Afrika eingetreten seien, hätten ein solches Vorgehen unmöglich
gemacht. (Vgl. hierzu die „Deutsche Denkschrift über den Krieg in Afrika“,
abgedruckt in der Beck schen „Chronik des Deutschen Krieges" Bd. IV S. 239 fl.)
Der Staatssekretär für Indien, Chamberlain, erwiderte auf eine
Anfrage, außer der Strafexpedition in Ober--Birma im Januar waren seit
Kriegsbeginn dreimal derartige Kämpfe nötig. Im Januar wurde das
Fort Sipina RKhaisora von den Khostwals angegriffen, die in ihr Stamm-
gebiet zurückgeschlagen wurden. Im März unternahm seeine beträchtliche
Streitmacht der Zadrani einen Einfall in englisches Gebiet. Sie wurde bei
Miramshah angegriffen und mit schweren Verlusten zurückgetrieben. Unsere
Verluste waren leicht. Im April fielen etwa 1000 Mohmads bei Shabkadr
ein. Sie wurden angegriffen. Der Feind zog sich zurück und zerstreute
sich jenseits der Grenze. Unsere Verluste betrugen etwa 70 Mann.
Europäischer Geschichtskalender. LVI. 51