108 Vie Sterreichisch-ungerische Monarcie. (Juni 12.—16.)
Männer finden werden, um die Arbeit für das Volk und Vaterland zu
leisten. Seine Partei sei angesichts der schweren Lage des Baterlandes
bereit, ihre parteimäßigen Forderungen zurückzustellen, man werde ja sehen,
ob das auch andere Parteien tun werden. Bisher habe es nicht den An-
* Die Christlichsozialen werden, ohne zu feilschen und zu handeln,
ich mit Rücksicht auf die außerordentlichen Verhältnisse für das Budget-
provisorium erklären und dem Baterlande bewilligen, was es braucht, um
bu leben und zu wirtschaften. Der Regierung gegenüber wollen sie sich
amit aber in keiner Weise binden. In bezug auf die innere und äußere
Politik bekennen wir uns rückhaltlos zur Thronrede. Der Krieg lehrt, daß
wir ein starkes, einiges Oesterreich haben müssen, in dem die einzelnen
Länder sich möglichst frei bewegen und ausleben können. Aber das muß
ein Zusammenhang, es muß wirklich ein Reich sein, nicht verschiedene
Königreiche. Ein Reich wollen wir haben, aber keine Unifizierung. Auch
die Autonomie der Länder soll hochgehalten werden, aber wir wollen, daß
der Staat Oesterreich alle Attribute der Macht und Einheit habe. Wir
alle beten und ersehnen den Frieden Tag für Tag, jeder von uns ist für
einen raschen Frieden, aber es muß ein Friede sein, wo wir existieren
können, ein Friede, der uns keine Schande bringt, ein Friede, bei dem
Oesterreich auch weiter in Ehren bestehen kann. Wir können unserem Mo-
narchen nicht genug dafür dankbar sein, daß er sich gewissermaßen an die
Spitze der Friedensbewegung gestellt hat. Er ist wirklich ein Friedens-
kaiser im wahrsten Sinne des Wortes, und auf dem Wege des Friedens
folgen wir ihm mit Liebe und Begeisterung. (Lebh. anhaltender Beif.)
Abg. Romanczuk (Ruth.) bedauert, daß durch die Erweiterung der
Landesautonomie in Galizien die galizischen Ukrainer noch mehr als
bisher ihrem nationalen Gegner ausgeliefert werden sollen. Die ukrainischen
Abgeordneten müssen vor aller Welt erklären: Die österr. Ukrainer bilden
mit den ung., russischen und den in Amerika lebenden Ukrainern eine
nationale Einheit, und jeder Teil müsse in seiner Sphäre unbeschadet der
Pflichterfüllung gegen seinen Staat nach einer gemeinsamen nationalen
Entwicklung streben. Die galizischen Ukrainer verlangen die Vereinigung
Ost-Galiziens mit dem ukrainischen Nordosten der Bukowina zu einer be-
sonderen, mit eigener Selbstverwaltung ausgestatteten Provinz und bei
einer etwaigen Neugestaltung der ganzen Monarchie die Angliederung des
ukrainischen nordöstlichen Teiles von Ungarn an diese Provinz. Die galizi-
schen Ukrainer haben seit jeher und namentlich auch in diesem Kriege die
größten Opfer für den Staat gebracht. (Beifall bei den Ruthenen.)
Abg. Dr. Ritter v. Onciul (Rum.) führt aus: Der Grundgedanke, der
aus der Vereinigung von Ungarn und Böhmen mit Oesterreich entstandenen
Moenarchie ist der freiwillige, auf Grund der Gleichberechtigung erfolgte
Zusammenschluß der das Donaubecken bewohnenden Völker. Diese Formel
hat sich vollständig bewährt. Als Rumäne konstatiert Redner, daß für die
Vereinigung des gesamten rumänischen Volkes in Oesterreich-
Ungarn alle Voraussetzungen gegeben seien; denn die rumän. Bauernschaft
des Königreichs, welche 90 Proz. der Gesamtbevölkerung bilde und das
wahre rumänische Volk darstelle, perhorresziere das bisherige Regime, das
sie politisch entrechtet und wirtschaftlich zugrunde gerichtet habe, in so
hohem Grade, daß sie wiederholt mit den Waffen in der Hand sich zur
Wehr gesetzt habe. Dafür schlummert in ihrer Seele der Glaube an den
„Kaiser“, in welchem sie schon nach der Tradition ihrer Vorfahren aus
den Türkenkriegen her den Hort der Christenheit und den von der Vor-
sehung berufenen Schirmer der Schwachen zu sehen gewohnt sei. Es brarchte
ihr nur die Freiheit der Entschließung gewahrt zu werden, damit sie spontan