Die Ierreichisch- unsrische Mosarcie. (Juni 12.—16.) 111
nicht bringen, sie kann den Frieden nicht schaffen und ihn nicht schließen.
Das ist Sache der souveränen Völker oder der Machthaber, je nach den
Verfassungseinrichtungen jedes einzelnen Staates. Die Vertreter des Prole-
tariats können dem Frieden nur die Wege bahnen und in St. die ersten Schritte
einleiten, um die Völker wieder zusammenzubringen. Wir fordern von der Re-
gierung, daß sie vorbehaltlos ihre Bereitwilligkeit erkläre, alles daranzusetzen,
um diesem furchtbaren Gemetzel ein Ende zu machen, in einer feierlichen F-
klamation für einen Frieden auf der Basis: ohne Annexionen, ohne
Kontributionen nicht nur dem Friedenswillen der Völker hier Rechnung
tragen, sondern dem unzweifelhaft bestehenden Friedenswillen in den
Mssen der anderen Bölker auch in den feindlichen Staaten zum Durch-
bruche zu verhelfen. Eine solche Erklärung wird nicht ein Zeichen der
Schwäche, sie wird ein Zeichen der Stärke sein und sie wird die Friedens-
ansätze in den anderen Staaten stark beleben und uns endlich zusammen-
führen. Einen Teil der Schuld an diesem Kriege tragen diejenigen, die heute
noch die Kriegshetzer hierzulande sind, die Nationalisten auf allen Seiten
in diesem Staate, die so lange gegeneinander gehetzt und hier in Lärm-
szenen in der unwürdigsten Weise die Völkerverhetzung getrieben, die zu
den Rüstungen gehetzt haben, diese Agrarier und diese Kons. bei uns, die
immer die Gegner jeder klugen Handels- und Vertragspolitik waren (Zu-
stimmung bei den Sozialdemokraten), welche uns mit unseren Nachbar--
staaten in eine natürliche und sachgemäße Wirtschaftsgemeinschaft gebracht
und auch eine dauernde weltpolitische Freundschaft gesichert hätte. Wir
werden gegen sie den Kampf aufnehmen, und wir hoffen, daß unsere
Brüder in Frankreich und England mit derselben Entschlossenheit wie das
deutsche und österreichische Proletariat den Kampf gegen die Kriegshetzer
in ihren Ländern aufnehmen und die Völker wieder zusammenführen werden.
Zum Teil war an diesem Kriege auch mit schuld das Ministerium Stürgkh,
das das Parlament zertrümmert, das der Welt ein zertrümmertes Oester-
reich vorgeführt, das offen erklärt hat, daß in diesem Lande die Völker,
wenn sie zu Recht kommen, wenn sie sich ein Volksparlament errichten,
unfähig werden, in den Fragen der Weltpolitik und der Militärpolitik
andzuhalten. Die Mittel dieser Regierung: Ausnahmszustand, Suspension
Geschworenengerichte, Aufrichtung der Militärgerichte, Beseitigung des
Vereins- und Versammlungsrechtes, Internierungen, Konfinierungen, eine
Zensur, welche die Presse geradezu mit Füßen getreten hat. Wenn wir
diese Schande der Zensur durch drei Jahre ertragen haben, wir werden
sie nicht länger ertragen, und wir werden vor allem hier in diesem Hause
nicht dulden, daß eine Zensur sich anmaßt, über die Reden und Verhand-
lungen in diesem Hause zu entscheiden. Heute zweifelt niemand mehr daran,
daß wir ganz recht hatten, als wir wiederholt die Forderung nach Ein-
berufung des Parlaments aufstellten und nachwiesen, daß es nicht ein
Bolksinteresse allein, sondern vor allem ein Staatsinteresse gewesen wäre,
am 1. August 1914 die Bölker und ihre Vertreter in dieses Haus zu
berufen und sie selbst vor die Entscheidung zu stellen. In allen Staaten.
Europas haben die Parlamente, die Volksmassen und die Vertreter des
Volkes an Macht und Einfluß gewonnen. Die Demokratie ist geradezu
eine Folgeerscheinung dieser weltpolitischen Vorgänge. Wir wollen nicht
zurückbleiben und werden nicht dulden, daß in diesem Staate noch einmal
die Verfassung sistiert werde. Was in diesem Staate geschehen wird, muß
Leichehen durch den Willen des Volkes, mit dem Volke und durch das Volk.
as Proletariat ist zu ohnmächtig in diesem Staat, aber das Bürgertum
ist vor allem berufen, den Staat zu lenken. Ihm obliegt die Mission, die
Macht anzutreten. Das Bürgertum ist berufen, sich nicht länger führen zu