Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Die Merreichisch-ungarische Monarchie. (Juli 18. 21.) 159 
Mißtrauen entgegenbringen und ein unbeschränktes Selbstbestimmungsrecht 
Deutschböhmens im Rahmen des österreichischen Einheitsstaates unter Fest- 
legung der deutschen Staatssprache und demgemäß Schafiung eines national 
abgegrenzten Verwaltungsgebietes als Provinz Deutschböhmen mit eigenem 
Landtag verlangen. Einem wie immer gearteten tschechischen Staatswesen 
würden sie sich nie unterordnen. 
18. Juli. Telegrammwechsel zwischen dem Reichskanzler Dr. 
Michaelis und Graf Cezernin (s. Tl. 1 S. 700). 
21.—23. Juli. Kaiser Karl besucht die ostgalizische Front. In 
Podgorze (bei Krakau) am 23. kurze Begegnung mit Kaiser Wilhelm. 
21. Juli. Im Hinblick auf die Friedensresolution des 
Reichstags vom 19. Juli schreibt das Wiener „Fremdenblatt“: 
Die Welt unserer Feinde steht seit gestern vor einer neuen Tatsache. 
Die Zeit ist vorüber, in welcher die vom Verständigungsgedanken ge- 
tragenen Kriegsziele der Mittelmächte verdreht und umgedeutet werden 
konnten. Die Erklärung des deutschen Reichskanzlers und die Friedens- 
resolution des Deutschen Reichstages zeigen das deutsche Volk und dessen 
Regierung in einer Front mit Friedenszielen, welche die Monarchie in 
den wiederholten Aeußerungen ihres leitenden Staatsmannes kundgab. Seit 
gestern geht es nicht mehr an, einen Zwiespalt zwischen Wien und Berlin 
in der Friedensfrage zu konstruieren und diesen den schwer geprüften Völkern. 
der Entente als Arcanum gegen deren Friedensbedürfnis einzuimpfen. 
So wie Graf Czernin in seinem Interview vom 30. März (s. S. 30 f.) den 
Krieg, den wir führen, als Verteidigungskrieg bezeichnete, der die gesicherte, 
freie und ungestörte Entwicklung der Monarchie herbeiführen soll, ebenso 
haben der Deutsche Reichstag und Michaelis erklärt, Deutschland habe nur 
zur Verteidigung seiner Freiheit und Selbständigkeit sowie für die Un- 
versehrtheit seines territorialen Besitzstandes zu den Waffen gegriffen. 
Gleich der Erklärung unseres Ministers des Aeußern, einen für alle Teile 
ehrenvollen Frieden anzustreben, welcher von aggressiven Plänen frei ist, 
geben Reichskanzler und Volksvertretung in Deutschland den Willen kund, 
keinen Frieden zu suchen, welcher auf erzwungene Gebietserwerbung ab- 
zielen würde. Wir fühlen uns eins mit den berufenen Vertretern des 
deutschen Volkes, wenn diese im weiteren Ausbau dieses Gedankens einen. 
Frieden ablehnen, der auf politische, wirtschaftliche oder finanzielle Ver- 
gewaltigung hinausliefe. Und wenn Kaiser Karl in seiner ewig denk- 
würdigen Thronrede vom 31. Mai (s. S. 85 ff.) der Welt verkündete, die 
richtige Friedensformel sei nur in der wechselseitigen Anerkennung einer 
ruhmvoll verteidigten Machtstellung, also in einem Frieden zu finden, der 
das fernere Leben der Völker auf Generationen von Groll und Rachedurst 
befreit, so folgen jetzt die gewählten Vertreter des deutschen Volkes diesen 
hohen Gedanken und Zielen, wenn sie verkünden, daß auch Deutschland 
einen Frieden der Verständigung und dauernden Versöhnung der Bölker 
suche. Damit sind die Kriegs- und Friedensziele der Mittelmächte so klar 
umschrieben, daß es darauf keine andere Antwort geben kann, als die ihrer 
Bejahung oder Verneinung. 
21. Juli. Wie die „Zeit“ von authentischer Seite erfährt, find 
im Laufe der letzten Woche die Internierten= und Konfinierten- 
stationen in ganz Osterreich aufgehoben worden.
	        
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