Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

210 Bie ssterreichisc-unsarische Moenarchie. (Dezember 4.) 
aufopferung, in rastloser Arbeit die Geschicke seiner Bölker geteilt. Sein 
Andenken sei gesegnet! Der greise Kaiser, dessen sehnlichster Wunsch es 
war, seinen Lebensabend Werken des Friedens widmen zu dürfen, hat den 
Streit, der die Welt in ihren Grundfesten erschüttern sollte, nicht gesucht. 
Blutenden Herzens, aber in unerschütterlichem Vertrauen auf Gott, den 
Opfermut seiner Völker und die Kraft der Monarchie hat er den Fedde- 
handschuh aufgehoben, als er sah, daß der Kampf unausweichlich geworden 
war. Der begeisterte Widerhall, welchen der Ruf des Obersten Kriegsherrn 
in allen Gauen Unseres geliebten Vaterlandes gefunden hat, rechtfertigte 
in glänzendster Weise sein Vertrauen. 
Die glorreichen Erfolge Unserer siegreichen Armeen, der Wagemut 
Unserer Flotte erfüllen Uns mit patriotischem Stolze. Hierfür wollen Wir 
vor allem Gott dem Allmächtigen Dank wissen, aber auch heute wehmuts- 
voll jener wackeren Streiter gedenken, welche im Kampf um die heiligssen 
Güter, zum Schutze der heimischen Scholle ihre Gesundheit, ihr Leben für 
Thron und Vaterland hingegeben haben. Die zahllosen Akte des Herois- 
mus und der demutsvollen Entsagung, welche Wir in mehr als drei Jahren, 
sei es bei den kämpfenden Truppen, sei es in der fast übermenschlichen 
Arbeit des Hinterlandes, beobachten konnten, sichern einem jeden dieser 
Helden einen Ehrenplatz in der Ruhmeshalle des Vaterlandes. Nicht ge- 
ringeren Anteil nehmen Wir an dem traurigen Schicksal jener Tausende, 
welchen der Krieg den Vater, den Gatten, die einzige Stütze geraubt hat. 
Mitleidsvoll wendet sich Unser Blick auch jenen Bedauernswerten zu, welche, 
von Haus und Hof vertrieben, ihr Hab und Gut auf dem Altar des Vater- 
landes aufopfern mußten. Sie alle mögen überzeugt sein, daß ihnen Unsere 
erste Sorge gilt. 
Wie wir in schweren Zeiten das Zagen nicht gekannt haben, so dürfen 
Wir jetzt, da sich der Ausblick in die Zukunft aufzuhellen scheint, in be- 
sonnener Selbstbeschränkung das Maß des Erreichbaren und dessen, was 
Uns frommt, nicht überspannen. Nach ruhmvoller Verteidigung Unserer 
Machtstellung sind Wir nach wie vor jederzeit bereit, einen ehrenvollen, 
die Existenzbedingungen der Monarchie gewährleistenden Frieden zu schließen. 
Aus diesem Gedanken heraus und im konsequenten Festhalten an der seit 
Unserem Regierungsantritte verfolgten Politik haben Wir auch den hoch- 
herzigen Schritt Sr. Heiligkeit des Papstes, welcher sich die Versöhnung 
der streitenden Teile zum Ziele setzte, mit freudiger Genugtuung begrüßt, 
und so werden Wir auch in Hinkunft auf Grund des Uns verfassungs- 
mäßig zustehenden Rechtes keine Gelegenheit versäumen, um dem opfer- 
vollen Ringen, dem vielfachen Elend, das dieser Krieg heraufbeschworen 
tat. je eher ein Ende zu bereiten. Im Geiste dieser Unserer Absichten. 
at sich Unsere gemeinsame Regierung bereit erklärt, der Einladung der 
russischen Regierung zu folgen und in Verhandlungen über einen allgemeinen 
Frieden einzutreten. Möge der Segen des Allmächtigen auf diesem Friedens- 
werke ruhen und den Völkern Europas Versöhnung und gegenseitiges Ver- 
trauen wiederbringen. Das schwergeprüfte russische Volk, welches als erster 
Unserer Gegner bereit ist, Unserem Friedensrufe zu folgen, kann sicher sein, 
daß Wir aufrichtig wünschen, die früheren freundnachbarlichen Beziehungen. 
u ihm wiederherzustellen. Andererseits müssen Wir es aber als Unsere 
heiligtte Pflicht ansehen, das Schwert, welches Uns die Beutegier raub- 
lustiger Nachbarn in die Hand gedrückt hat, in dem für die ganze Zukunft 
der Monarchie so entscheidungsvollen Kampfe nicht früher niederzulegen, 
als bis Unsere Gegner ihren wahnwitzigen Aufteilungs= und Bergewal- 
tigungsplänen unzweideutig entsagt haben werden. Wir wollen Herren 
bleiben im eigenen Hause.
	        
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