246 Spanien. (November 11.—Dezember 6.)
Die öffentliche Meinung und das Heer bringen dem neuen Ministerium
volles Vertrauen entgegen, da man von ihm die Gesundung und Erstarkung
Spaniens erhofft. Ein am 4. abgehaltener Ministerrat beschäftigt sich haupt-
sächlich mit der Auflösung der Kammer, damit so schnell als möglich,
Ende Januar oder Anfang Februar, allgemeine Wahlen abgehalten werden
können. Nach der Beendigung des Ministerrats gibt Ministerpräsident
Garcia Prieto der Presse eine ministerielle Erklärung ab, in der
auf die gegenwärtigen außergewöhnlichen Umstände hingewiesen wird, die
es bewirkt hätten, daß Männer von verschiedenen und entgegengesetzten
politischen Anschauungen in das Uebergangskabinett der Zusammensafsung
vereinigt wären. Das Ziel desselben sei, die neutrale Politik Spaniens
fortzusetzen und unverzüglich mit Energie an die Lösung der wirtschaft-
lichen Fragen zu gehen, den mit der Landesverteidigung zusammenhängenden
Fragen die größte Aufmerksamkeit zu schenken und die neuen, ohne jede
Beeinflussung der Regierung im Wahlkampf gewählten Kammern einzu-
berufen. Das Kabinett erstrebt eine Erneuerung des Landes und fordert
die öffentliche Meinung auf, durch ihre Vertretung getreulich den souveränen
Willen des Landes zum Ausdruck zu bringen, damit das Parlament mit
voller gesetzlicher Autorität die politischen, wirtschaftlichen und juristischen
Probleme erörtern und lösen könne, die das Leben Spaniens in der Zu-
kunft berührten. Bis das Parlament seine Arbeiten aufnehme, bittet das
Kabinett um Vertrauen, damit es allen Fragen gegenübertreten könne, die
eine unverzügliche Prüfung erforderten.
11. Nov. Stadtratswahlen in ganz Spanien.
An dem Ergebnis ist vor allem das Anwachsen der republ. Stimmen
bemerkenswert.
25. Nov. Kundgebungen im ganzen Lande zugunsten einer
Amnestie für die wegen der Augustunruhen Verurteilten.
Die Regierung ist gegen eine allgemeine Begnadigung.
6. Dez. Unterzeichnung des span.-engl. Austauschvertrags.
Die Regierung unterzeichnet den unter der Regierung Romanones
von Marques de Cortina (s. S. 236) mit England verabredeten Austausch-
vertrag nach Vornahme geringfügiger Aenderungen.
Ueber den Inhalt des Vertrages erfährt der „Imparcial“ folgendes:
England holt (auf span. Schiffen) das Erz in Bilbao selbst ab und über-
läßt für die ausgelieferten Schiffe Spanien monatlich 150000 t Kohlen
(die Spanien auf eignen andern Schiffen holen muß). Es erlaubt ferner
die Ausfuhr von 50 Proz. Orangen der Ausfuhr von 1916, 50 Proz. Tafel-
trauben, Mandeln und Rosinen der Ausfuhren 1914, 25 Proz. Bananen
der Ausfuhr von 1914 und Zwiebelausfuhr in beliebiger Menge. Für die
esamte „Fruchtausfuhr" werden 20 Proz. des Laderaumes der beanspruchten
rzdampfer erlaubt. Außerdem sollen 50 Proz. Wein der Ausfuhr 1913
und 50 Proz. Branntwein der Ausfuhr 1916 gestattet sein. Abgezogen auf
den so zugestandenen Schiffsraum werden aber wieder monatlich 300 t für
Weißblech und 120t für Eisenmangan. Wer Gefahr und Versicherung der
spanischen Ladungen auf den unter englischer Flagge fahrenden Bannwaren-
schiffen trägt, wird verschwiegen. Da auf Grund des Vertrages spanische
Schiffe die Sperrzone durchkreuzen müssen, wird das Abkommen in neu-
tralistischen Kreisen mit einiger Unruhe betrachtet.