Greßbritannien. (März 8.) 271
von Heer und Flotte zu unternehmen. Die Möglichkeit, durch Ueberraschung
einen gemeinschaftlichen Angriff der Flotte und der Landungstruppen auf
Gallipoli zu unternehmen, stellte derart große militärische und politische
Vorteile in Aussicht, daß es ein Fehler gewesen wäre, diese Möglichkeit
vorbeigehen zu lassen und durch übereilten Beschluß zu einem Angriff durch
die Flotte allein zu schreiten, der doch nicht zu dem gewünschten Ziele
führen konnte. Am 13. März 1915 wurde jedoch beschlossen, daß die Flotte
allein einen Angriff unternehmen solle. Der Erste Seelord, Admiral Fisher,
und das Mitglied des Admiralitätsstabes, Admiral Wilson, äußerten kein
Bedenken gegen diesen Plan; Kitchener sprach sich zu seinen Gunsten aus.
Aber man hat Fisher und Wilson, die lieber einen gemeinschaftlichen An-
griff von Heer und Flotte gesehen hätten, überhaupt nicht um ihre Meinung
gefragt, als es sich um die Entscheidung handelte. Die Kommission ist der
Auffassung, daß der damalige Erste Lord der Admiralität, Churchill,
ferner Asquith und die anderen Mitglieder des Kriegsrates verpflichtet ge-
wesen wären, die Meinung der Sachverständigen über ein einseitiges Vor-
gehen der Flotte einzuholen. Der am 16. Febr. gefaßte Beschluß, Truppen
in der Nähe der Dardanellen zusammenzuziehen, kennzeichnet das Schwierige
der gesamten Unternehmung. In diesem Augenblicke, in dem rasch gehandelt
werden mußte, war es nicht möglich, Konzessionen zu machen, wenn es sich
um einen energischen Angriff von Flotte und Heer handeln sollte. Und
wenn die Erfahrungen unbefriedigend waren, hätte man von einem allei-
nigen Angriff der Flotte absehen müssen. Kitchener entschied am 20. Febr.,
daß die 29. Division, die bereits am 16. Febr. ausersehen worden war, nach
dem Osten geschickt zu werden, nicht abgehen solle. Dadurch wurde diese
Entsendung von Truppen um drei Wochen verzögert, und diese Verzögerung
verminderte die Aussicht auf Erfolg ganz bedeutend. Außerdem hatte der
erste Angriff der Landungstruppen die Schwierigkeiten, die einige Monate
später bei dem großen Angriffe so lebhaft empfunden wurden, bedeutend
vergrößert. Die Kommission ist der Auffassung, daß nach der Beschießun
vom 18. März die Entscheidung unvermeidlich war, daß ein Angriff burch
die Flotte allein vermieden werden müsse, und dem Ersten Minister hätte
es obgelegen, den Kriegsrat einzuberufen. Es muß als eine schwerwiegende
Unterlassung bezeichnet werden, daß dies nicht geschehen ist. Kitchener,
sagt der Bericht weiter, hat nicht genügend die Dienste seines Generalstabs
ausgenutzt: er hat mehr Arbeit für sich selbst übernommen, als ein einzelner
Mann leisten konnte. Dies führte zu Verwirrung und zu ungenügender
Ausnützung der Kräfte. Obgleich der Hauptzweck der Dardanellenexpedition
nicht erreicht werden konnte, sind doch einzelne politische Vorteile erzielt
worden. Ob diese Vorteile aber den Verlust an Menschenleben und an
Materialwert ausgleichen, ist natürlich eine Frage, über die man verschiedener
Meinung sein kann. (S. auch S. 274 f.) Z
Nach einer Aufstellung von H. W. Wilson in der „Daily Mail“
vom 9. März haben die engl. Verluste 209596 Mann, die franz. etwa
150000 Mann betragen. Außerdem gingen Kriegsschiffe von zus. 80000 To.
verloren, wobei 1590 Mann ertranken. Ueber eine Mill. To. Schiffsinhalt
wurde für die Versorgung der Expedition bei unerhörten Kosten festgehalten.
Die Kosten der Expedition beliefen sich auf rund 300 Mill. Pf.
Die „Times“ loben die Aufrichtigkeit des Berichts und erklären:
Churchill bleibt das, wofür er immer gegolten hat, nämlich der An-
stifter des Abenteuers. Allerdings hat er an dem einmal gefaßten Vor-
satz festgehalten, während andre warnten und fackelten. Verhängnisvoll ist
gewesen, daß Churchill fachmännischen Rat nur dann einholte, wenn dabei
von vornherein sicher war, daß er nach seiner eignen Auffassung ausfallen