Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

276 Großbrikamien. (März 22.) 
sich behaupten können. Ich gebe mich der freudigen Hoffnung bin, daß in 
den letzten Stadien des Kampfes sich alle alliierten Länder unter Leitung 
von Regierungen befinden werden, die den wahren Ausdruck der Gesinnungen 
ihrer Völker darstellen. 
Asquith unterstützt den Antrag: Die gewaltigen Ereignisse, die sich 
gegenwärtig in Rußland vollziehen, sind von der Art, daß sie eine besondere 
unverzügliche Anerkennung des Hauses verdienen und erfordern. Eine 
Autokratie, die trotz des außerordentlichen Wechsels in ihrer Geschichte und 
in dem persönlichen Schicksal der Inhaber des Thrones ein integrierender 
Teil des russischen Lehens geworden und unerreichbar für einen etwaigen 
Angriff zu sein schien, ist im Laufe weniger Tage ohne wirklichen Wider- 
stand, sogar ohne Verteidigung vollkommen ausgetilgt worden. (Beifall.) 
Die Form der neuen russischen Regierung soll dem freien Urteil eines be- 
freiten Volkes unterworfen werden. Was immer seine letzte Entscheidung 
sein mag, so hat Rußland schon durch diese Tatsache seinen Platz an der 
Seite der großen Demokratien der Welt eingenommen. Wir hier an der 
Geburtsstätte parlamentarischer Einrichtungen und der Volkswahlen emp- 
finden es nicht nur als Vorrecht, sondern haben sogar einen besonderen 
Anspruch darauf, zu den ersten zu gehören, die sich über die Emanzipation 
Rußlands freuen und es in der Gemeinschaft der freien Völker bewillkommnen. 
Keinen Satz lehrt die Geschichte klarer als den, daß die Freiheit die Kinder 
hat, die sie verdient. Macht und Verantwortlichkeit gehen Hand in Hand. 
Je größer die Grundlage der Macht ist, desto mehr wird der Sinn für 
Verantwortung angeregt. Wir können mit Zuversicht voraussagen, daß sich 
dies in Rußland ebenso bewahrheiten wird, wie sich dies überall in der 
Welt bewahrheitet hat. In der Zwischenzeit, und bis der Augenblick kommt. 
wo das große russische Volk eine ausgeprägte Verfassung haben wird, be- 
obachten wir mit Sorge und Teilnahme die Bemühungen und Anstren- 
gungen seiner provisorischen Regierung. Um eine so tiefe und in ihren 
Wirkungen auf die soziale und politische Zusammensetzung des weiten, ver- 
schieden gestalteten Gemeinwesens so weitreichende Revolution durchzuführen, 
sie durchzuführen mit Voraussicht und Zurückhaltung, mit einer so geringen 
Verschiebung in dem ganzen Bau und so geringem Ungemach für die un- 
schuldigen Opfer des Wechsels, als dies vereinbar war mit der gründlichen 
und vollkommenen Ausführung der leitenden Absicht, war eine Ausgabe, 
die unter allen Umständen den Scharfsinn weisester Staatskunst in Anspruch 
nahm und dabei zu einer Zeit verrichtet werden mußte, wo Rußland unter 
dem Druck und Zwang des größten Krieges in der Geschichte stand. Wir 
haben die Zuversicht, daß die ausgezeichneten Männer, die die neue Re- 
gierung bilden, diejenige Geduld und Klugheit besitzen werden, welche eine 
derartige Lage erheischt, und vor allem nehmen wir an, daß weder sie noch 
das russische Volkl um ein Jota von ihrem Entschlusse abweichen werden 
und von der Zusammenfassung aller ihrer Hilfsmittel, um den Krieg zu 
einem solchen Ende zu bringen, wie es all den Opfern sämtlicher Verbün- 
deten entspricht. Mit Vergnügen lasen wir heute die Erklärung der neuen 
russischen Regierung (s. Rußl., 17. März), daß sie unverbrüchlich die Allianz 
beobachten werde, die sie mit den anderen Mächten verbündet, und daß 
sie entschlossen ist, alle Abkommen auszuführen, die mit den Verbündeten 
getroffen wurden. Die Sache der Verbündeten, wie zahlreich und ver- 
schieden auch die Kriegsschauplätze seien, ist eine einzige und unteilbare. 
Rußland hat seine Rolle nicht nur loyal, sondern auch in großem Maß- 
stabe durchgeführt, und wir sind sicher, daß sein Volk, jetzt wo es seine 
eigene Freiheit herannahen sieht, auf diesem Wege fortfahren wird, mit 
womöglich gesteigerter Inbrunst, Entschluß- und Willenskraft.
	        
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