Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Greßbritannien. (April 8.—9.) 281 
würdigen Anlaß gefunden hat. Das amerik. Volk hat sich zurückgehalten, 
bis es völlig davon überzeugt war, daß der Kampf nicht ein niedriges 
Ringen um Macht oder Besitz ist, sondern ein selbstloser Kampf, um die 
finstern Anschläge gegen Menschenfreiheit und Menschenrecht zu unterdrücken. 
Nachdem sie einmal diese Ueberzeugung gewonnen hatte, ist die große 
Republik des Westens auf den Kampfplatz gesprungen, und sie steht jetzt 
Seite an Seite mit den europäischen Demokratien, die, von Wunden be- 
deckt und blutend nach dreijährigem, hartem Streite, noch gegen den grau- 
samsten Feind kämpfen, der jemals die Freiheit der Welt bedroht hat. Die 
begeisternden Worte in der edlen Ansprache des Präsidenten erhellen den 
Horizont und lassen klarer als je das Ziel erkennen, das wir zu erreichen 
suchen. Drei Wendungen werden für immer in der Geschichte dieses Kreuz- 
zuges bedeutungsvoll bleiben; die erste ist die, daß die Welt Sicherheit 
haben muß für die Demokratie. Die nächste ist die, daß eine Bedrohung 
des Friedens und der Freiheit in dem Bestehen einer autokratischen Re- 
gierung liegt, die gestützt wird von einer organisierten Macht, die nur 
ihrem Willen untersteht und nicht dem Willen des Volkes. Der Ausspruch 
aber, der die Ansprache des Präsidenten krönt, ist der, daß eine feste Ver- 
einigung für Frieden nur aufrechterhalten werden kann, wenn demokratische 
Nationen die Teilnehmer sind. Diese Worte sind der Ausdruck für das 
Vertrauen, das unser Volk bei den furchtbaren Opfern, die es gebracht hat 
und noch bringt, beseelt und aufrechterhält. Auch unser Volk glaubt, daß 
die Einigkeit und der Friede der Menschheit nur beruhen können auf der 
Demokratie und auf dem Rechte derer, die einer Obrigkeit untertan sind, 
eine Stimme in ihrer eignen Regierung zu haben, auf der Achtung vor den 
Rechten und Freiheiten der Nationen, der großen und der kleinen, und 
auf der allgemeinen Herrschaft des öffentlichen Rechtes. Ein unerbittlicher 
Feind aller dieser Vorbedingungen ist die preußische Militärautokratie. Der 
Kriegsausschuß des Kabinetts als Vertreter aller Nationen und Völker 
des britischen Reiches wünscht, daß ich in seinem Namen die Ritterlichkeit 
und den Mut anerkenne, die das Volk der Ver. Staaten dazu aufrufen, 
alle seine Hilfsmittel dem Dienste der größten Sache zu widmen, der je- 
mals menschliche Anstrengungen gegolten haben. 
Auch der Führer der Liberalen Asquith richtet im gleichen Sinne 
eine Botschaft an das amerikanische Volk. 
8.—9. April. (Leeds.) Tagung der Unabh. Arbeiterpartei. 
Einstimmig wird folgende Entschließung angenommen: In der Ueber- 
zeugung, daß jede Fortsetzung dieser schrecklichen und wahnsinnigen Menschen- 
schlächterei nutzlos und wahnsinnig wäre und eine große Gefahr für die 
künftige Sicherheit und Wohlfahrt unseres Volkes bedeutet, ersucht die 
Konferenz die Regierung, zusammen mit ihren Verbündeten Verhandlungen 
zum Abschluß eines gerechten, ehrenhaften und dauernden Friedens zu er- 
öffnen. Ferner wird mit 256 gegen 96 Stimmen eine Entschließung an- 
enommen, daß an der nächsten internationalen sozialistischen Konferenz 
bhch die Sozialisten aller Länder einigen müßten, in Zukunft ihren Re- 
gierungen jede Unterstützung für Kriege zu verweigern, „was auch das 
Endziel eines solchen Krieges sein möge, und sogar, wenn eine Regierung 
ihn als einen Verteidigungskrieg darstellen sollte“. 
8.—9. April. (Salford.) Tagung der Brit. Soz. Partei. 
In einer Resolution erklärt sich die Versammlung mit dem Stand- 
punkt von Zimmerwald und Kienthal solidarisch und verlangt, daß das 
Internat. Soz. Bur. sofort einen Kongreß der Internationale in einem
	        
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