Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Großbritannien. (Juli 21.) 309 
darin, die die militärischen Kreise in Deutschland verstehen werden, Sätze 
über die Sicherung der deutschen Grenzen. Das sind Sätze, mit denen 
Elsaß-Lothringen annektiert worden ist, das sind Sätze, die seit 1914 
Europa mit Blut getränkt haben, das sind Sätze, die, wenn sie es 
wagen können, Belgien und Kurland annektieren werden. Das sind Sätze, 
die Europa wieder im Laufe der Generationen in ein Blutbad stürzen 
werden, wenn diese Sätze nicht auf den Schlachtfeldern ausgerottet werden. 
Die Rede enthielt Sätze für demokratisch gesinnte Männer. Der Kanzler wollte 
Männer aus dem Reichstag berufen, um mit der Regierung zusammen- 
zuarbeiten. Männer aller Parteien sollten sogar Aemter erhalten. Das 
war für das demokratische Gefühl in Deutschland bestimmt. Aber die Rede 
enthielt Sätze, um die Junker zufriedenzustellen. Sätze, die die anderen 
bedeutungslos machten. Es soll keine Partei geben, die imperialistische Rechte 
hat. Ja, sie werden Männer aus dem Reichstag zu den Aemtern berufen, 
aber es werden nicht Minister, sondern Schreiber sein. Es ist die Rede 
eines Mannes, der die militärische Lage im Auge behält. Das sollen sich 
die Alliierten Rußland, England, Frankreich, Italien und alle anderen 
merken. Es ist eine Rede, die durch die Verbesserung der militärischen 
Lage verbessert werden kann, und wenn die Deutschen im Westen gewinnen, 
wenn sie im Osten die russische Armee zerstören, wenn ihre Freunde, die 
Türken, die Engländer aus Mesopotamien vertreiben, und wenn die U- 
Boote mehr Handelsschiffe versenken, dann bedeutet diese Rede, das können 
Sie mir glauben, Annexionen ringsherum und festere Begründung der 
militärischen Autokratie denn je. Wenn aber andererseits die Deutschen im 
Westen zurückgetrieben und im Osten geschlagen werden, und wenn ihre 
Freunde, die Türken, in Bagdad einen Mißerfolg haben, und wenn die 
U-. Boote auf dem hohen Meere ein Fehlschlag sind, daun ist die Rede ge- 
rade recht. Wir müssen alle dazu helfen, eine gute Rede aus ihr zu machen. 
Sie enthält Möglichkeiten, eine ausgezeichnete Rede zu werden. Stehen 
wir dem Kanzler bei, leihen wir dem neuen Kanzler unsere Hilfe, seine 
Rede zu einem wirklichen Erfolge zu machen! Augenblicklich aber 
bedeutet sie, daß die Militärpartei gewonnen hat. Ich möchte 
die Erklärung, die ich vorher gemacht habe, in anderer Form wiederholen. 
Was für eine Art Regierung die Deutschen wählen, um über sie zu herr- 
schen, das geht einzig das deutsche Volk selbst an, aber was für einer Art 
Regierung wir vertrauen können, um Frieden mit ihr zu schließen, das 
ist unsere Sache. Die Demokratie ist an sich eine Bürgschaft für den Frieden. 
Wenn wir sie in Deutschland nicht erhalten können, dann müssen wir uns 
andere Bürgschaften als Ersatz dafür sichern. Die Rede des deutschen Kanzlers 
zeigt nach meiner Meinung, daß die leitenden Stellen in Deutschland augen- 
blicklich sich für den Krieg entschieden haben. In jener Rede ist keine Hoffnung 
für Belgien, es wird nicht einmal erwähnt. Die Ausdrucksweise der Rede ist 
voller Drohungen für Belgien. Sie sichert die deutschen Grenzen. Sie nimmt 
Metz und Straßburg weg und wird Lüttich nehmen und Antwerpen unter 
Aussicht stellen. Das ist kein erfreuliches oder gutes Vorzeichen für Belgien. 
Aber das ist nötig, damit die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands ge- 
sichert werden. Es bedeutet, daß selbst, wenn sie Belgien wiederherstellen, 
die Wiederherstellung Lug und Trug sein wird. Die Alliierten sind ent- 
schlossen, daß Belgien als freies unabhängiges Volk wiederhergestellt werden 
muß. Belgien muß ein Volk, nicht ein Schutzgebiet sein. Wir dürfen nicht 
nur ein vom preußischen Schwert zerrüttetes Belgien haben. Das Zepter 
muß belgisch sein, das Schwert muß belgisch sein, die Scheide muf belgisch 
sein, und die Seele muß belgisch sein. Ich habe die Rede gelesen, wie 
es meine Pflicht war. Ich habe sie einmal, zweimal, dreimal gelesen, um
	        
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