Gresjbrilannien. (November 7. - 10.) 353
7. Nov. (London.) Ankunft einer amerik. Kommission unter
Oberst House. ·
9. Nov. Regierung und Zionismus.
Wie „Reuter“ aus London meldet, sandte der Minister des Ausw. Bal-
jour an Lord Rothschild eine schriftliche Erklärung, in der die Regierung
ibre Sympathie mit dem Zionismus erklärt. Sie stehe einer nationalen
Niederlassung des jüdischen Volkes in Palästina sympathisch gegenüber. Bal-
sour ersuchte, diese Erklärung zur Kenntnis des Zionistenbundes zu bringen.
10. Nov. Die Admiralität zur U-Bootfrage.
Auf die Erklärung, die der Staatssekretär des deutschen Reichs-
marineamtes (s. Tl. 1 S. 961 f.) in Beantwortung der Rede des Ersten
Lords der Admiralität Geddes vom 1. Nov. (s. S. 347 ff.) abgab, erläßt
die britische Admiralität folgende Erwiderung: Es ist durchaus unwahr,
daß G. bei Zusammenzählung der Tonnageverluste der britischen Handels-
marine das Mittelmeer ausnahm. Die Verluste, die genannt wurden, be-
treffen alle Meere. Nur bei Nennung der Zahlen der vernichteten feind-
lichen C-Boote nahm G. das Mittelmeer aus, da dort verschiedene Nationen
beteiligt sind. Die Behauptung, daß G. die britischen Verluste in Netto-
tonnen angab, während die deutschen Berechnungen in Bruttotonnage auf-
gestellt werden, ist durchaus falsch. Die Zahlen, die G. gab, betreffen alle
Bruttotonnage. Ferner ist unwahr, daß G. in der Erklärung über die
britischen Tonnageverluste die Schiffe ausließ, die in Diensten der Regie-
rung stehen. Es wurde nur die Tonnage solcher Schiffe ausgenommen, die
die Kgl. Flagge führen. Was den skandinav. Geleitzug anbetrifft, so brachte
G. in der Erklärung klar zum Ausdruck, daß seit April 1917 mehr als
4500 Schiffe auf diesem Wege geleitet wurden. Die Zahl schließt natürlich
nicht die begleitenden Fahrzeuge ein oder, wie es der deutsche Marine-
sekretär nennt, „die gesamte Flotte von Patrouillenfahrzeugen“. Die Zahlen,
die G. nannte, sind nicht zu widerlegen und sind so befriedigend, daß es
natürlich ist, wenn Deutschland zur Sophistik Zuflucht nehmen muß und
den Versuch machen muß, sie zu widerlegen oder in Frage zu stellen. Aus
den letzten Ereignissen im Kattegatt ist der Welt bekannt, daß die Kgl. Marine
auf die deutsche Hochseeflotte wartet, die es noch immer ablehnt, die Schlacht
anzunehmen. Die deutsche Marine ist zweifellos eine junge Schöpfung und
die Ueberlieferungen, die sie sich jetzt bildet, lassen die Ritterlichkeit und
das Vertrauen des deutschen Seemanns nicht im besten Lichte erscheinen.
Es kann nur noch hinzugefügt werden, daß vom Aug. 1916 bis Okt. 1917,
als zwei leichte Kreuzer den skandinav. Geleitzug angriffen, kein deutsches
Kriegsschiff, das größer als ein Torpedobootszerstörer war, sich uns 150 Meilen
westlich Helgoland zeigte. Dagegen spricht die von G. angegebene Meilen-
zahl, die britische Kriegsschiffe im Monat fuhren, deutlich genug für alle,
die hören wollen.
Das „WeB.“ bemerkt dazu: Zu vorstehendem äußerte man sich an
zuständiger Stelle wie folgt: Die Auslassungen der britischen Admiralität
können dem Staatssekretär des Reichsmarineamtes keine Veranlassung geben,
auch nur ein Wort von dem zurückzunehmen, was er sagte. Es genügt,
auf die Reden der Sachverständigen im engl. Ober- und Unterhause zu
verweisen. Wenn die engl. Admiralität ihre Veröffentlichungen klar und
unumwunden erläßt, wie dies seitens des deutschen Admiralstabes geschieht,
wird sie das engl. Volk „aus Alices Wunderland“, um mit dem Unterhaus-
mitglied Houston zu reden, in die rauhe Wirklichkeit führen. Im übrigen er-
sehnt die deutsche Marine und mit ihr das deutsche Volk ein zweites Skagerrak.
Europäischer Geschichtskalender. LVIII# 23