Großbritannien. (November 27. 29.) 363
so kann von einer diplomatischen Anerkennung oder von Unterhandlungen
mit ihnen keine Rede sein. Es besteht keine Absicht, eine solche Regierung
anzuerkennen.
27. Nov. Lloyd George begibt sich nach Paris, um an der
Sitzung des Obersten Kriegsrates (s. Frankr., 29. Nov.) teilzunehmen.
Zum militärischen Vertreter Englands im Obersten Kriegsrat ist GL.
Sir Henry Wilson ernannt.
27. Nov. (Unterhaus.) Balfour über das rufss. Waffen-
stillstandsangebot.
R. Lambert (Lib.) fragt erstens, ob die russ. Regierung oder irgend-
eine Person, die vorgibt, die russ. Regierung zu vertreten, einen sofortigen
Waffenstillstand an allen Fronten zur Einleitung von Friedensverhand-
lungen vorgeschlagen habe. Zweitens, wenn dies der Fall sei, welche Ant-
wort hierauf gegeben wäre. Der Staatssekretär des Ausw. Balfour beant-
wortet die erste Frage mit ja. Hinsichtlich der zweiten Frage sei von der
engl. Regierung keine Antwort gegeben worden und, soweit es ihm bekannt
wäre, auch nicht von irgendeinem der Alliierten.
29. Nov. Lord Lansdowne zur Kriegszielfrage.
„Daily Telegraph“ veröffentlicht einen Brief Lord Lausdownes,
worin dieser verlangt, daß auf der Pariser Konferenz der Alliierten (s. Frankr.,
29. Nov.) nicht nur über eine einheitliche Strategie, sondern auch über
eine Vereinheitlichung (coordination) der Kriegsziele des Verbandes ver-
handelt werden sollte. Nach einem Rückblick auf die Leiden und Zer-
störungen des Krieges gibt Lord L. an der Hand von wörtlich angeführten
Aeußerungen des amerik. Präsidenten, des deutschen Reichskanzlers, des
Papstes, der engl., der österr.-ung. Regierung einen Ueberblick über die bis-
herigen Erklärungen über die Kriegsziele und zieht aus den Aeußerungen
den Schluß, daß das eigentliche Kriegsziel aller Kriegsparteien die Sicher-
heit vor neuen Katastrophen gleicher Art und die schiedliche Austragung
der internationalen Streitigkeiten sei. Hierauf fährt Lord L. fort: Ein
künftiger Angreifer könnte entweder durch den Druck überlegener nautischer
und militärischer Kräfte im Zaum gehalten werden oder durch die Ver-
weigerung der Zulassung und der Erleichterungen für seinen Handel. Der
Verlauf der Pariser Konferenz zeigt, daß wir vor einer solchen Verwei-
gerung nicht zurückschrecken würden, wenn wir zum Zweck der Selbstver-
teidigung genötigt würden, diese Waffe zu gebrauchen. Wenn aber ein
„Handelsboykott“ auch als Kriegsmaßnahme zu rechtfertigen ist, und die
Drohung mit dem „Boykott“ für den Fall, daß Deutschland sich durchaus
unvernünftig erweisen sollte, eine legitime Drohung wäre, so wird sicherlich
kein vernünftiger Mann wünschen, den Handel der Mittelmächte zu zer-
stören, wenn sie in sozusagen rechtlich bindender Form die Verpflichtung
übernehmen, Frieden zu haltfen, und wenn sie uns nicht durch eine geg-
nerische Kombination in einen Konflikt hineindrängen. Ein Handelskrieg
ist in seinen unmittelbaren Folgen weniger schrecklich als der Krieg be-
waffneter Streitkräfte, aber es würde sicherlich bedauerlich sein, wenn nach
drei oder vier Jahren eines blutigen Konflikts im Felde, eines Konflikts,
der einen großen Teil des Wohlstandes der Welt zerstört und ihre Hilfs-
kräfte dauernd verkrüppelt hat, die Mächte sich zu Handelsfeindseligkeiten
anschicken wollten, die sicherlich die wirtschaftliche Erholung aller davon in
Mitleidenschaft gezogenen Nationen verzögern würden. Niemand wird be-
zweiseln, daß wir uns gegen die Wirtschaftsfeindschaft anderer werden