368 Greßbritannien. (Dezember 11.)
den Friedensbürgschaft trachten, begründet durch die gemeinschaftliche Auto-
rität eines internationalen Bundes. Um die jüngsten Worte des Präsidenten
Wilson zu gebrauchen: das Ziel ist, die Teilnahme nicht allein der
Regierungen, sondern auch der Völker, die fortan den Weltfrieden verbürgen
müssen, zu wirksamer Geltung zu bringen. Selbst jetzt ist es reichlich klar,
daß nicht die Regierungen, sondern die Völker der feindlichen Länder
künstlich im Dunkel gehalten werden über unsere tatsächlichen Absichten,
sowohl hinsichtlich des Krieges wie des Friedens. Ich werde weiter tun,
was ich kann, um den Schleier zu lüften und womöglich einige Licht-
strahlen hineinzulassen.
Die erste und hauptsächlichste falsche Auffassung unserer Absicht ist
die, daß es das verkappte Ziel der Verbandsmächte sei, nicht allein Deutsch-
land und das deutsche Volk zu besiegen, sondern es zu demütigen, zu er-
schöpfen und es als Faktor in der zukünftigen Entwicklung der Menschheit
auszuschalten. Solch ein Ziel ist weder hier noch in Amerika formuliert
oder auch nur andentungsweise ausgesprochen worden. Allerdings habe
ich im Nov. 1914 gesagt, wir würden das Schwert nicht eher einstecken,
als bis die militärische Oberherrschaft in Preußen ganz und für immer
vernichtet sei. Was verstehen wir unter preußischem Militarismus? Ich
führe wieder Wilson an: „Niemand bedroht das Bestehen der Unabhängig-
keit und den friedsamen Entwicklungsgeist des Deutschen Reiches“, und
füge hinzu, daß niemand unter den Alliierten daran denkt, dem zukünftigen
Deutschland seine innere Einrichtung und Regelung vorzuschreiben. Der
Grundsatz der Demokratie bringt es mit sich, daß jedes organisierte Volk
selbst über seine Regierungsform bestimmt; das ist seine eigene Angelegen-
heit. Was wir bekämpfen, ist nicht ein Volk, sondern ein System, eine
Maschinerie, die erst in Preußen, dann auch im übrigen Deutschland als
Werkzeug tätig war und ist, die zu einem Ganzen klug zusammengefügte
militaristische und bureaukratische Maschine. Es ist das System, das die
rohe Gewalt zur obersten Macht erhoben hat, das sich um seiner vermeint-
lichen Interessen willen oder aus Forderungen des Augenblicks heraus er-
laubt hat, die feierlichsten Verträge zu fälschen oder zu zertreten, das sich
eine mehr als päpstliche Macht zuerkannte, indem es sich selbst die Ver-
letzung von Uebereinkünften vergab, die eine Bürgschaft für die Rechte der
Völker bildeten. Dem muß ein Ende gemacht werden. Deutschland muß
das einsehen lernen, und es ist, glaube ich, schon auf dem Wege dahin.
Die harte Notwendigkeit — nicht Gefühlsgründe oder ethische Erwägungen
— zwingt ihm die Erkenntnis auf: Das System lohnt sich nicht. Niemols
war es unser Wunsch, und er ist es auch jetzt nicht, dauernd gegen das
deutsche Volk zu kämpfen. Wir schätzen die Beiträge, die es für die Be-
reicherung des menschlichen Wissens auf den Gebieten der materiellen und
intellektuellen Forschung geliefert hat und, wie wir glauben, weiter liefern
wird. Aber wenn ein Vertrag, ein wirklich dauerhafter Vertrag, zustande
kommen soll, so gehört mehr dazu als Papier, Tinte und Siegellack. Er
muß auf der klaren Sicherheit ruhen, daß das deutsche Volk ebenso bereit
ist wie wir, ein gemeinsames und gleiches Recht aufzubauen, und zwar
nicht als eine äußerliche Macht, sondern als die geheiligte Autorität in
der Welt. Eine andre irrige Auffassung ist die, England erstrebe zum
Schaden Deutschlands politische und wirtschaftliche Vorteile, indem es die
sogenannte Freiheit der Meere nur für sich gelten lasse. Ich habe vergeblich
nach einer klaren Defination dieses Ausdrucks gesucht. Niemand bezweifelt,
daß in Friedenszeiten die Meere den Handelsflotten aller Nationen offen-
gestanden haben und auch offenstehen müssen. Welche Bestimmung sollte
denn England vorschlagen oder unter die Friedensbedingungen aufnehmen, die