Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Großbritannien. (Dezember 12.) 369 
dieses natürliche und uralte Recht schmälern könnte? Es kann sich bei 
dieser Formel nur darum handeln, für die Kriegszeit derjenigen Macht, 
die zufällig die See beherrscht, Beschränkungen aufzuerlegen. Für den 
Landkrieg, wo die bestehenden Vorschriften vom Feinde planmäßig verletzt 
werden, schlägt man solche Einschränkungen nicht vor. Gewiß kann auch 
für den Seekrieg etwas getan werden, um die Freiheit der Meere zu gewähr- 
leisten. Ich ziele damit natürlich auf die Fortsetzung des unerlaubten schänd- 
lichen Tauchbootkriegs mit seinem mitleidlosen Ermorden unschuldiger 
Menschen. Der Tauchbootkrieg zwang uns zur Bewaffnung der Handels- 
fahrzeuge, und er gab nicht bloß die Kriegführenden, sondern auch die 
Neutralen Gefahren und Beleidigungen preis, wie sie in der Geschichte der 
Seekriege, bisher unbekannt waren. Ich glaube nicht, daß wir im Zu- 
sammenhang damit von feindlichen Lippen noch viel über die Freiheit der 
Meere werden zu hören bekommen. Es wird behauptet, der Friede, den 
wir im Auge hätten, sei ein lahmer Friede; unter anderm Namen werde der 
Kampf fortgesetzt werden. Das ist nicht richtig. Ich verteidige unser Recht, 
alle erlaubten Mittel, wirtschaftliche wie militärische, zu gebrauchen, um 
unser Ziel zu erreichen und einen solchen dauerhaften Frieden zustande 
zu bringen, wie die Welt ihn braucht. Wir werden nach Erreichung 
dieses Ziels gemäß Wilsons Wort den Frieden gründen: „Edelmut 
und Gerechtigkeit mit Ausschluß selbstsüchtiger Forderungen, sogar zum 
Vorteil des Besiegten.“ Das engl. Volk und alle Völker der Verbands- 
staaten wünschen einen reinlichen Frieden und sind bereit, alle Opfer 
dafür zu bringen. 
„Daily News“" nennen Asquiths Rede die offenherzigste und best- 
überlegte Erklärung über die Kriegsziele, die seit Beginn des Krieges von 
einem engl. Staatsmann abgegeben sei. Der einzige Punkt, in dem Asquith 
und Wilson von Lansdowne abwichen, sei die Art der Garantien. Lans- 
downe scheine an ein Abkommen nach Art der alten Diplomatie zu denken, 
während Asquith und Wilson auf dem Standpunkt ständen, daß der Welt- 
friede auf der Befestigung der Weltdemokratie beruhen müsse. Das britische 
Volk verlange nicht nach einem Sieg mit Gebietsgewinn, sondern nach 
einer Besiegung des Krieges selbst. — Die Gegenäußerung des „WeTB.“ 
zur Rede Asquiths s. Tl. 1 S. 1029. 
12. Dez. (Unterhaus.) Das Haus nimmt eine Kriegskredit- 
vorlage von 550 Mill. Pf. St. an. 
Bei der Begründung der Vorlage erklärt Schatzkanzler Bonar Law, 
daß man bei der Einbringung des letzten Kredits in Höhe von 400 Mill. 
am 30. Okt. angenommen habe, diese Summe würde die Ausgaben bis zur 
ersten Januarwoche decken. Die Annahme habe sich bewahrheitet. Der neue 
Kredit erhöhe die Summe der für das Finanzjahr bewilligten Kredite auf 
2450 Mill. Die durchschnittliche tägliche Ausgabe betrage für die 63 Tage 
vor dem 1. Dez. 6794000 Pf. Das überschreite die Schätzung im Budget 
um 1383000 Pf. täglich. Der Betrag, um welchen der Haushaltsvoranschlag 
überschritten worden sei, betrage 309 Mill., doch sei hiervon die Summe 
abzuziehen, welche gedeckt war oder gedeckt werden könne. Diese Summe 
werde auf 225 Mill. angenommen. Gründe für den vermehrten Aufwand 
seien die Ausdehnung des Flugwesens und die große Zahl der in Mesopo- 
tamien verwendeten indischen Truppen gewesen. Der größte Betrag rühre 
her von dem Vorrücken der engl. Truppen in Frankreich und Palästina. 
Bonar Law bespricht dann die den Dominions und den Alliierten gemachten 
Borschüsse und erklärt, daß die Voranschläge für die Dominions nicht über- 
schritten worden seien. 
Europäischer Geschichtskalender. LVIII2. 24
	        
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