Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Greßbritannien. (Dezember 14. 19.) 371 
Kampfes ändere, dann wäre die Fortsetzung des Krieges eine Schande. 
Aber England und die Verbündeten hätten bisher andauernd Fortschritte 
gemacht zur Erreichung des Endzieles, wenn diese auch nicht immer äußer- 
lich sichtbar gewesen sind, im Gegensatz zu den Siegen des Feindes, die 
aller Welt verkündet worden sind. Deutschlands Leiden würden nicht draht- 
los in die Welt gefunkt, aber England wisse davon. Der tödliche Griff der 
britischen Flotte tue seine Wirkung. England wisse die Anstrengungen 
seiner Truppen zu würdigen, die den Grund gelegt hätten zu der neuen 
Brücke, die die Menschheit in eine neue bessere Welt führen soll. Dieser 
Brückenbau sei gegenwärtig von einer Sturmflut bedroht und einige Pfeiler 
und Quadersteine seien aus diesem Neubau hinweggeschwemmt worden. 
Da gäbe es nun Leute, die vorgeschlagen hätten, statt einer festen, eine. 
bewegliche Brücke zu bauen, die aus Verträgen bestehen soll. Aber sie sei 
nicht dauerhaft. Das erste vergossene Blut eines künftigen Krieges werde 
sie hinwegreißen. (Die Erwiderung des Reichskanzlers s. Tl. 1 S. 1035 f.) 
14. Dez. (Unterhaus.) Kriegszielpropagandafonds. 
Bei der Beratung über einen von der Regierung angeforderten nominell 
begrenzten, tatsächlich aber unbegrenzten Betrag für den sog. Kriegs ziel- 
ausschuß kommt es zu heftigen Angriffen gegen die unter Carsons Leitung 
etriebene Scharfmacherei, durch welche die engl. Regierung die Kriegs- 
müden bei der Stange zu halten versucht. 
19. Dez. (Oberhaus.) Das Wahlreformgesetz (s. S. 298 f.) wird 
in zweiter Lesung angenommen. 
19. Dez. (Unterhaus.) Kriegszieldebatte. 
Die von der Opposition gewünschte Aussprache über die engl. Kriegs= 
ziele eröffnet Sir William Collins (Lib.). Er führt aus, er habe die 
Regierung in ihren Bestrebungen unterstützt, das Ziel zu erreichen, für das 
England ursprünglich in den Krieg eingetreten sei. Nach seiner Meinung 
sei ein dauerhafter Friede nicht möglich, solange die militärische preußische 
Autokratie fortdauere und nicht geschlagen sei, oder von dem deutschen 
Volke selbst verworfen werde. Das Ziel, für das man ursprünglich in den 
Krieg eingetreten sei, sei ihm wohl bekannt. Es sollte dies ein Krieg sein, 
der dem Krieg für immer ein Ende mache, ein Krieg zur Sicherung der 
Völkerrechte, ein Krieg zur Sicherung der Heiligkeit des internationalen 
Rechtes, nicht nur für die großen, sondern auch für die kleinen Nationen, 
ein Krieg für die gerechten Prinzipien der Freiheit und der Menschenrechte. 
Er glaube, der preußische Militarismus werde sowohl durch die Wirkung 
der Kräfte von außen, als auch von innen beseitigt werden. Man sei be- 
rechtigt zu fragen, wie es auch Präsident Wilson getan habe, ob es wohl 
dem Mangel an Sympathie und Verständnis, oder der Unfähigkeit zum 
Lerständnis zuzuschreiben sei, oder ob die Kriegsziele der Alliierten die 
Wirkung hätten, daß das Resultat der russischen Revolution, das nach jeder- 
manns Meinung zum Vorteil der Nationen hätte ausschlagen müssen, die 
für die Demokratien kämpften, in Wirklichkeit im Interesse der einzigen 
nech übrig gebliebenen Antokratie in Europa ausgebeutet worden sei. 
Ponsonby (Lib.) erklärt, im Lande herrsche wachsende Unzufrieden- 
heit. Die Presse, dic größtenteils der Regierung gefügig sei, bringe nicht 
die wahren Ansichten des Volkes zum Ausdruck. Das Grundübel der gegen- 
wartigen ernsten Lage liege in der Leitung der britischen Diplomatie, die 
England einem bodenlosen Abgrund zuzutreiben scheine. Im Lichte der 
neuerlichen Enthüllungen müsse man fragen, wofür man kämpfe. P. weist 
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