390 frankreich. (März 9.)
habe Clementel erklärt, daß die Lage nicht beunruhigend sei, und daß
man die nächste Ernte erreichen könne, ohne den Brotpreis von 45 Cent.
erhöhen zu müssen. Jetzt erst sehe man, daß man die nächste Ernte nur
unter großen Einschränkungen und unter der Voraussetzung, daß die Ein-
fuhr nicht gestört werde, erreichen werde, und daß man zunächst eine Ver-
teilungskrise und dann eine richtige Verproviantierungskrise durchzumachen
haben werde. Wie für die Kohlenkrise sei auch hierfür der Grund die Scce-
transportkrise. Man sehe augenblicklich eine zweifache Regierungspolitik.
diejenige Clementels, der den Brotpreis bis Kriegsende nicht zu erhöhen
versprochen habe, und die Herriots, der als Lyoner Bürgermeister durch
eine Erhöhung des Brotpreises der Krise zu steuern versucht habe. Noch
im Januar habe die Regierung erklärt, eine zweimalige Schließung der
Zuckerbäckereien sei das Heil, und jetzt wolle man plötzlich die Brotkarten
einführen. Alle Maßnahmen würden aber, weil sie zu spät getroffen seien,
unwirksam sein. Anstalt dieser Einschränkungen hätte man eine Produktions=
politik durchführen müssen. Indessen sei von der Regierung nichts unier-
nommen, sondern alles der Initiative der Präfekten überlassen worden.
Das Parlament müsse sich jetzt mit dieser Organisation beschäftigen. Um
eine monatliche Kohlenersparnis von 500000 Fr. zu erzielen, wolle die
Regierung anstatt Getreide Mehl aus Amerika einführen, was einen monat-
lichen Verlust von sieben Millionen bedeuten würde. Die Polirik der Fest-
setzung von Höchstpreisen habe klägliche Ergebnisse gezeitigt. Rußland ver-
spreche, Getreide zu schicken. Das Versprechen bedeute aber nichts, da der
Verkehr mit Rußland wegen der Ul-Boote sehr unsicher sei. Die Kohlen-
krise sei andauernd ernst; auch hier habe die Regierung nichts getan, um
eine bessere Einfuhr erzielen zu können. Der Heilfaktor für die Lage sei
vorläufig einzig der Ausbau der französischen Handelsflotte. Sonst führe
die Regierung das Land in einen wirtschaftlichen Zusammenbruch, der der
Vorläufer der Revolntion sei.
Abg. David (ehem. Ackerbauminister) befürchtet, die Ernte 1918 1919
werde denselben Fehlbetrag aufweisen wie die nächste Ernte. Ueberab
herrsche eine Verschleuderung, namentlich bei der Armee. Seit zwei Jahren
mache das Parlament hierauf aufmerksam. Es sei unbedingt notwendig,
Kriegsbrot für die Armee und die Zivilbevölkerung zu schaffen. Durch
Einführung von Brotkarten müsse die ganze Mühlenindustrie reglementiert
werden. Vor allem aber dürfe man die Getreideproduzenten nicht durch
falsche Maßnahmen entmutigen. Es sei ferner notwendig, die mobilisierten
Ackerbauer zu den Handarbeiten freizugeben.
Am 9. erklärt Verpflegungsminister Herriot, die Wirtschaftspoliel!
hänge nicht von dem Willen eines Mannes, sondern von den Zahlen ab.
Das ernsteste Problem sei das Getreideproblem. Für dieses Jahr sei sicher,
daß man bis zur nächsten Ernte durchhalten werde; die Getreideversorgung
nach dem Jahre 1917 müsse aber um jeden Preis geregelt werden. Das
beste Mittel zur Erhöhung des Ertrages sei die Nationalproduktion. Er
müsse leider Einschränkungsminister sein. Als Verproviantierungsminister
sei es ihm nicht gestattet, optimistisch zu sein. Er habe Rundschreiben an
die Präfekten gerichtet, um mit ihnen Hand in Hand zu arbeiten. Er
müsse zugeben, daß die Versenkungen manchmal Verwirrung in die Ge-
treideverteilung verschiedener Departements gebracht haben. Eine Zentral-
einkaufsstelle könne er nicht bilden, da er sich nicht zugunsten einer kauf-
männischen Vereinigung seiner Macht begeben könne. «
Es liegen zwei Anträge zur Tagesordnung vor. Abg. David
sordert in seinem Vorschlag die Regierung auf, mit Methode und Umsiche
die Volksernährung zu organisieren. Die Tagesordnung enthält keinen