412 frankreich. (Juni 5. 6.)
Willen bekunden nach einem franz. Frieden ohne Annexionen, der indes
die Befreiung Frankreichs sichere, in dem Sinne, wie es vor 1870 bestand.
Auch Ministerpräsident Ribot ersucht um Annahme dieser Tagesordnung.
Er versichert, daß Frankreich keine Eroberungspolitik, sondern eine Polink
des Völkerrechts und der Gerechtigkeit verfolge. Lassen wir uns, fährt er
fort, nicht durch Formeln täuschen, deren Zweck ist, die Demokraten irre-
zuleiten. Wir suchen Wiederherstellung unseres Besitzes, Wiedererlangung
der Provinzen, die nie aufgehört haben französisch zu sein und die uns
gewaltsam entrissen worden sind. Wir wollen einfach, was uns gehört.
Das Gewissen der Welt gibt Frankreich recht. Wie sollte es uns die Genug-
tuung für in der Geschichte beispiellos dastehende Grausamkeiten verweigern?
R. richtet endlich eine Mahnung an alle Franz., die Einigkeit zu bewahren,
die seit drei Jahren dem Heere erlaubt habe auszuhalten, das verstanden
habe, daß es ein einiges Frankreich gebe. Abg. Renaudel rechtfertigt die
Absicht der Sozialisten, nach Stockholm zu gehen, und bemerkt, es gebe
auch in Deutschland Stimmen, die dem Recht zur Geltung verhelfen möchten.
Er nennt die Namen Liebknecht und Bernstein. Die Aktion der soz. Partei
werde auf Grund der russischen Fragenliste vor sich gehen können. Schließ-
lich wird der Tagesordnung Klotz mit 424 gegen 87 soz. Stimmen die
Priorität zuerkannt und diese dann mit 467 ergen 52 Stimmen der soz.
Minderheit angenommen. Sie hat folgenden Wortlaut: Die Abgeordneten-
kammer als die unmittelbare Verkörperung der Souveränität des franz.
Volkes entbietet der russischen Demokratie sowie den übrigen verbündeten
Demokratien ihren Gruß. Indem sie sich dem im Jahre 1871 der National=
versammlung von den Vertretern des gegen seinen Willen von Frankreich
losgerissenen Elsaß-Lothringens vorgetragenen einmütigen Widerspruch
anschließt, erklärt sie hierdurch, daß sie von dem Krieg, der durch den
Angriff des imperialistischen Deutschlands Europa aufgezwungen wurde,
die Befreiung der besetzten Gebiete, die Rückgabe Elsaß-Lothringens
an das Mutterland und endlich gerechte Wiedergutmachung des erlittenen
Schadens erwartet. Fern von jeglichen Gedanken an Eroberung oder
an Knechtung fremder Völkerschaften zählt sie darauf, daß durch die
Arbeit der Armeen der Republik wie der alliierten Heere nach Ueber-
windung des preuß. Militarismus dauerhafte Garantien für die Un-
abhängigkeit der Völker, der großen und der kleinen, in der sich schon
heute vorbereitenden Organisation der Völkergemeinschaft erlangt werden.
Im Vertrauen, daß die Regierung durch eine einheitliche militärische
und diplomatische Aktion sämtlicher Alliierten diese Ergebnisse sicher-
stellen wird, lehnt sie jeden Zusatz ab und nimmt die Tagesordnung
an. (Die Erwiderung der „Köln. Ztg.“ s. Tl. 1 S. 615 f. und der „Nordd.
Allg. Ztg.“ s. Tl. 1 S. 625 f.)
Auch der Senat nimmt am 6. mit 235 Stimmen einstimmig eine
Tagesordnung an, die seine Zustimmung zu den von Ribot aufgestellten
Grundsätzen ausspricht.
5. Juni. Der radikal-soz. Abg. J. Noulens wird zum Bot-
schafter in Petersburg ernannt.
In dem radikalen Kabinett Doumergue (Dez. 1913 bis Juni 1914)
leitete N. das Kriegsministerium, das er in dem nachfolgenden Ministerium
Viviani mit dem Finanzministerium vertauschte. Bei der durch den Krieg
bedingten Umbildung des Ministeriums Ende Aug. 1914 schied er aus der
Regierung ans.
6. Juni. Schaffung einer poln. Armee.