Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

414 Erankreihh. (Juni 12.) 
in Deutschland, in den besetzten Ländern und in Elsaß-Lothringen als nichtig 
erklärt. Die Erklärung erhebt nachdrücklich Einspruch gegen die deutsche 
Behauptung, daß die angeordneten Liquidierungen Vergeltungsmaßnahmen 
für die in Frankreich durchgeführten Verkäufe deutschen Eigentums dar- 
stellten. In Frankreich seien Verkäufe nur zulässig für fällige und klagbare 
Schulden, während in Deutschland der Verkauf franz. Eigentums auch beim 
Fehlen jeglichen Passivpostens erfolge. Die Erklärung macht auch auf den 
peinlichen Charakter der öffentlichen Versteigerung von Mobilien, Kunfßt- 
gegenständen, kunsthistorischen Andenken aufmerksam. Sie schließt mit der 
Nichtigkeitserklärung solcher Liquidationen gemäß dem Kammerbeschlu, 
der bereits dem Senat unterbreitet wurde. (S. auch S. 436.) 
12. Juni. Antwort der franz. Regierung an Rußland. 
In ihrer Antwort auf die Proklamation der Prov. russischen 
Regierung vom 27. März'9. April 1917 (s. Rußland, 10. April) be- 
merkt die franz. Regierung, sie zweifle nicht daran, daß das russische Volk 
den Krieg bis zum siegreichen Ende fortzuführen gedenke, wodurch die Be- 
mühungen der Gegner, Mihßhelligkeiten zwischen den Alliierten zu säen, zu 
Schanden würden. Die franz. Regierung wisse sich völlig einig mit der 
russischen Regierung und dem russischen Volk hinsichtlich der Grundsätze 
für ihre Politik während des Krieges. Frankreich denke nicht an die Unter- 
drückung irgendeines Volkes oder einer Nationalität. Es wolle die Be- 
seitigung aller Unterdrückungen und die Bestrafung der begangenen Ver- 
brechen. Frankreich wolle kein Gebiet seinen rechtmäßigen Vestpern ent- 
reißen. Es erblicke das Ende des Krieges nur in dem Triumph von Recht 
und Gerechtigkeit. Dagegen verlange es für sich selbst die Rückgabe seiner 
alten treuen Provinzen Elsaß und Lothringen, die ihm seinerzeit durch 
Gewalt entrissen seien. Mit seinen Alliierten werde Frankreich bis zum 
Siege kämpfen, damit ihnen die vollständige Wiederherstellung ihrer terri- 
torialen Rechte, ihre politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit, sowie 
ausreichende Entschädigungen für die ungerechtfertigten Berheerungen zu- 
teil würden. Frankreich wünsche sich mit der russischen Regierung nicht 
nur über die Mittel zur Fortführung des Krieges, sondern auch über die 
Mittel zu seiner Beendigung zu verständigen. Der Antwort der franz. 
Regierung wurde die am 5. Juni von der franz. Kammer beschlossene 
Tagesordnung (s. S. 412) beigefügt. 
Ueber die Antwort der franz. Regierung auf die Note der russischen 
Regierung vom 1. Mai (s. Rußland) wird aus Petersburg am 11. Jum 
gemeldet: Die franz. Regierung ließ eine Note übergeben, welche dieselben 
Erllärungen enthält wie die engl. (s. S. 302) und hinzufügt, daß Frank- 
reich in dem Wunsche nach der Wiedererwerbung Elsaß-Lothringens, das 
ihm vormals gewaltsam entrissen worden sei, gemeinsam mit den Alliierten 
bis zum Siege kämpfen werde, um den Provinzen ihre Rechte auf ein 
ungekürztes Gebiet und eine wirtschaftl. u. pol. Selbständigkeit zu sichern. 
12. Juni. (Kammer.) Budgetprovisorium. Steuerpläne. 
Der Haushaltsausschuß billigt die Regierungsvorlage bezuglich 
der prov. Budgetzwölftel für das dritte Vierteljahr 1917 (s. S. 406 f.) und 
erhöht die Kredite von 9843272000 auf 9871330000 Fr. Damit wird 
die Kammer seit Kriegsbeginn 93 Milliarden und mit Einschluß der Vor- 
schüsse an die Verbündeten 100 Milliarden bewilligt haben. Der Haut- 
haltsausschuß billigt ferner die Absicht der Regierung, der Kammer neue 
Maßnahmen zu unterbreiten, durch welche die Einnahmen Frankreichs um 
jährlich 1200 Mill. Fr. erhöht werden. Die neuen Einnahmen sollen zur 
Deckung der laufenden Ausgaben dienen. Die eigentlichen Kriegsausgaben
	        
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