Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

486 krankreich. (Dezember 27.) 
Tage, an dem in Rußland eine regelrecht konstituierte Regierung beüche 
wird, sind wir bereit, mit ihr unfere Kriegsziele und die eventuellen ## 
dingungen eines dauerhaften und gerechten Friedens zu besprechen. 
Abg. Mistral Soz.) versucht hierauf vergebens das Kabinett zut 
Anerkennung der Leninschen Regierung zu veranlassen. Lenin zu beschimritr 
nütze nichts, weil er doch der Herr und Mrister sei: und wenn er wirklic 
käuflich sei, warum kaufe ihn die Entente nicht? Nicht mit Kornilow usk 
Kaledin, sondern mit der russischen Revolution müsse man sich verbünder. 
Im weiteren Verlauf der Sitzung interpelliert Abg. Loirolle (Prozr 
über die für die Entente an der russiichen Front geschaffene Lage. Er senB 
der Ansicht, daß die angenblickliche Lage Rußlands die Franzosen nicht io 
Verwirrung bringen dürse. Das MWesentliche sei, daß zwischen dem Genera-- 
stab der Alliierten die Einheit hergestellt werde. — Abg. Argaines „Rad. 
interpelliert sodann über die Unterstützung. die die Regierung von der 
Alliierten verlangen kann, um Rußland zu veranlassen, wieder mehr arf 
die Seite der Entente zu treten. Der Redner siehn den Grund der russischtn 
Revolmion insbesondere in der Hungersnot und in dem Wunsch der ruf- 
sischen Bauern, den Boden für sich in Besi zu nehmen. Er fordert r#- 
den Ver. Staaten und von Japan, daß sie nicht zulassen, daß Deulichlard 
der russischen Bevölkerung im Austausch gegen russisches Getreide fabrizielte 
Erzeugnisse liesert. — Abg. Sembat Soz.) führt aus: Es sei ein Unsinn. 
wenn die Pariser Bonlevardpresse behaunte, das russische Volk werde von 
einer Bande von Verrätern geführt. Diese Presse, die den Zaren um- 
schmeichelte, habe jedenfalls das Recht zur Kritik verloren. „Was wuße# 
wir von Rußland?" rufst Sembat. „Wir kannten nur die russischen Lou- 
pous, während die Deutichen wirtschaftlich und auch kulturell im rusüscher 
Reich und Volk tiefe Wurzeln zu schlagen verstanden. Es wäre der un- 
geheuerlichste Fehler, würden wir wirklich nur auf Südrußland zählen und 
die Verbindung mit den Petersburger Machihabern ausheben. Das hemt. 
die demsche Herrschaft über Rußland freiwillig besiegeln.“ 
In Beantwortung der Intervellationen führt der Minister des Aeußern. 
Pichon, aus: Die Alliierten bejolgen Rußland gegenüber nicht eine Poluik der 
Untätigteit oder des Gewährenlassens. Die Ereignisse in Rußland steilen 
zusammen mit dem Eintritt der Ver. Staaten in den Krieg die wichtigsten 
Tatsachen dieses Krieges dar. Die Regierung, die an die Stelle des Auf- 
ruhrs als aus der rutfsischen Revolntion hervergegangene Gewalt geire##n 
ist, hat sich selbst ofsizielle Beziehungen zu den Alliierten unmöglich gemach 
Im übrigen haben alle franz. Parteien, von den gemaßigsten bis zu àt# 
Sozialisten, vollkommen die Handiungsweise der Bolschewili gemißbillig. 
Heute befindet sich Rußland dank den Bolschewili in voller Auflösung. 
Während Rußland dem Kriege nach außen entgehen wollte, ist es die Beme 
des sürchterlichsten Siurmes im Innern geworden. Deutschland bemüht ss# 
das Werk der Zerstörung der russischen Militärmacht weiter fortzusen 
und einen Abgrund zw'schen Rußland und den Alliierten zu schaffen. Es 
sucht sich in den Besitz seiner Schätze zu setzen und arbeitet daran, zu zer- 
mürben und zu zerstückeln, um die Ueberreste zu verteilen, die Krcgs- 
gefangenen wieder zu erlangen, und um späler die Revolution matt i# 
setzen und eine autokratische Regierung unter preuß. Vorherrschaft zu ke- 
gründen. Es ist unbegreiflich, daß die Mohrheit des russischen Volkes sih 
nicht gegen diese Politik aufgelehnt hat. Was uns betrifft, so hatten wir 
die Pflicht, mit allen gesunden Elementen Rußlands in Verbindung in 
bleiben, mit allen Gruppierungen, bei denen das Bedürfnis, frei zu iir. 
und das Gefühl berechtigter Verleidigung weiterlebt. Wir mußten uns ½ 
mitten einer allgemeinen Auflösung mit ihnen zusammentun, mögen i½
	        
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