Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Ilalien. (März 1. - 17.) 495 
der allein darauf abzielte, in der öffentlichen Meinung unserer im Kriege 
befindlichen Länder Zwietracht hervorzurufen und die der neutralen zu 
verwirren, während er versuchte, den öffentlichen Geist in Deutschland und 
bei seinen Verbündeten zu stärken. Am 12. Januar antworteten Deutsch- 
land und Oesterreich-Ungarn durch Vermittelung der neutralen Regierungen 
auf unsere gemeinsame Mitteilung durch eine Note, deren springender 
Punkt immer das Fehlen jeder genauen Angabe der Friedensbedingungen 
ist. Denn von den Behauptungen braucht man gar nicht zu sprechen, welche 
die geschichtlich gewordene Tatsache des von den Mittelmächten 1914 will- 
kürlich unternommenen Angriffes entstellen sollen. Dann kam die wichtige 
Botschaft Wilsons vom 22. Januar an den Senat, in der der Präsident 
seine Gedanken über die zukünftigen internationalen Regelungen zum Schutze 
der Menschheit gegen neues Kriegsunglück auseinandersetzte. Der Präsident 
erkannte an, daß man dies alles nicht einmal teilweise erreichen kann, wenn 
die Friedensbedingungen, die dem gegenwärtigen Kampf ein Ende machen, 
nicht den edlen Forderungen der Billigkeit, der Zivilisation und der Achtung 
vor den Nationalitäten und den kleinen Staaten Genüge leisten, Forderungen, 
die übrigens schon in der Antwort der Alliierten auf die erste Note skizziert 
waren. Aber Wilson erklärt nicht, wie man all das erreichen könne. Was 
seine Hypothese eines Friedens ohne Sieg anbetrifft, so wäre sie gleich- 
bedeutend mit der Verleugnung der Ursprünge dieses Krieges und mit 
einer Verkennung der von Italien und seinen Alliierten verkündeten Ziele, 
und hier ist es am Platze, wieder einmal zu bekräftigen, daß Italien 
kein Ziel der Vorherrschaft oder der Unterdrückung verfolgt, 
sondern daß es durch die Tapferkeit seiner Kinder für die Befreiung seiner 
fremdem Joche unterworfenen Landsleute kämpft sowie für die Eroberung 
seiner von der Natur gezeichneten Grenzen, für die rechtmäßige Sicherheit 
seiner Küsten im Adriatischen Meer und für die Wahrung seiner Lebens- 
interessen im Mittelmeer. Am 31. Januar veröffentlichte Deutschland zu- 
sammen mit Oesterreich-Ungarn die Erklärung der Blockade gegen Groß- 
britannien, Frankreich und Italien, sowie im östlichen Mittelmeer. Diese 
sogenannte Blockade ist gesetzwidrig in Hinsicht auf die vom Völkerrecht 
festgesetzten Regeln, die als notwendige Bedingung fordern, daß sie vor 
allem effektiv sei, außerdem durch das gewählte Werkzeug, nämlich Unter- 
seekrieg bis aufs äußerste. Der Beschluß der Mittelmächte ist ein neuer 
Beweis der Barbarei ihrer Methoden, aber die Alliierten sind entschlossen, 
dieser neuen Drohung entgegenzutreten; auf der Londoner Marinekonferenz 
hat man sie vorausgesehen und Vorkehrungen dagegen getroffen. Der 
xC. Vootkrieg wird neue Verbrechen gegenüber unschuldigen Opfern be- 
wirken, aber nicht sein Ziel erreichen, den Handel der Alliierten zum Still- 
stand zu bringen. Das Völkerrecht hat bisher unter bestimmten Umständen 
ein Recht der Aufbringung gestattet, aber niemals die blinde Vernichtung 
von Menschenleben und Eigentum. Die Neuheit der U. Bootwaffe kann eine 
weitherzigere Bestimmung der Bedingungen rechtfertigen, die für eine 
ebfektive Blockade zur See notwendig sind, sie kann aber keineswegs ein 
Recht oder eine Rechtfertigung abgeben, ohne Rücksicht auf Abgangsort 
oder Bestimmungsort zu vernichten und zu morden, gleichviel, ob es sich 
um Neutrale oder Kriegführende, Bewaffnete oder Nichtibewaffnete handelt, 
und ohne Unterschied des Geschlechts und Alters. Dies alles führt uns 
wieder in die grausamsten Zeiten des wilden und prähistorischen Menschen 
zurück. Die Tatsache, daß ein Staat sich ein solches Recht anmaßt, will- 
kärlich alle schon von ihm selbst genehmigten und proklamierten Gesetze und 
Regeln zu verletzen, droht die Menschheit mit einem Schlage um mehrere 
Jahrhunderte auf dem Wege der Zivilisation zurückzuwerfen, indem sie
	        
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