Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Stalien. (März 1.—17.) 497 
Voraussetzungen. Es wäre praktisch nicht möglich gewesen, von vornherein 
vor unserem Eintritt in den Krieg das ganze Kriegsprogramm sowohl in 
wirtschaftl. wie in militärischer Hinsicht unter Absehung von dem Ver- 
lauf der künftigen Ereignisse genau festzusetzen. Die Alliierten halten 
sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit dauernd in Fühlung, indem 
sie die Verhältnisse prüfen und Vorsorge treffen. Die Zusammenkünfte 
zwischen den alliierten Regierungen, sowohl die politischen wie die militärischen 
und wirtschaftlichen, waren zahlreich. Was die Frage des östlichen Mittel- 
meeres betrifft, so ist sie immer Gegenstand unserer Aufmerksamkeit; denn 
wir geben uns wohl Rechenschaft von den italienischen Lebensinteressen, 
die damit verquickt sind. Die Abmachung zwischen Rußland, England und 
Frankreich, die sich besonders mit Konstantinopel und den Meerengen be- 
faßt, ist vor unserem Eintritt in den Krieg getroffen worden, und daher 
haben wir nicht an ihr teilnehmen können. Wir sind ihr nachher beigetreten, 
wie seinerzeit gemeldet worden ist und unter den gleichen allgemeinen Be- 
dingungen wie die Alliierten. (E. Ferri ruft dazwischen: Dies geschah ver- 
mutlich auch zum Wohle Italiens. Großer Lärm.) Das Ergebnis der 
Konferenz in Rom im verflossenen Januar war, die gemeinsame mili- 
tärische und politische Betätigung zu verbinden. Man hat auf ihr sehr 
nütliche Vereinbarungen getroffen, die vor allem geeignet sind, die Lösung 
der in Griechenland entstandenen Schwierigkeiten zu erleichtern. Die in 
Rom getroffenen Vereinbarungen sind in der späteren Konferenz in 
Petersburg entwickelt und besonders hinsichtlich Rußlands vervollständigt 
worden, um die dieser tapferen Nation notwendigen militärischen Mittel 
bei der ungeheuren, ihr obliegenden Leistung zu erhöhen. Das Parlament 
wird indessen einsehen, daß es nicht vorteilhaft wäre, unseren Feinden den 
Dienst zu erweisen, sie durch öffentliche Mitteilungen über den Inhalt der 
Beschlüsse der Alliierten aufzuklären. (Widerspruch b. d. Soz.) 
S. erklärt ferner, daß er überzeugt sei, den Gefühlen der Kammer 
und der Regierung entsprochen zu haben, als er der großen englischen 
Nation zu dem durch die schwierige Eroberung von Bagdad errungenen 
Erfolge ihrer Waffen Glückwünsche übermittelt habe. Jeder Sieg der 
Alliierten sei auch ein italienischer Sieg, wie jeder italienische Erfolg ein 
Erfolg der gemeinsamen Sache sei. Die Regierung ist sich vollkommen des 
Umfanges und der Verwickeltheit der zu lösenden Fragen und der ge- 
bieterischen Notwendigkeit, ihnen entschieden und energisch zu begegnen, 
bewußt. Für mein Teil bin ich mir bewußt, daß ich nichts versäumt habe, 
um, soweit es von mir abhing, in voller Uebereinstimmung mit meinen 
Kollegen peinlich meine Pflicht gegenüber dem Lande zu erfüllen, eine 
Pflicht, die sich praktisch und täglich in die sehr einfache Formel zusammen- 
fassen läßt, sich mit allen seinen Kräften im Interesse der öffentlichen Sache 
einzusetzen. Wenn Sie der Ansicht sind, daß ein anderer in diesem Augen- 
blick und vor allem an dieser Stelle dem Vaterlande größere Dienste leisten 
könnte, so haben Sie die klare Pflicht, es zu sagen. Die Stunde ist feier- 
lich und die ganze Nation ist ohne Unterschied der Partei oder Klasse 
entschlossen, ihre Pflicht zu tun, und die Pflicht aller in der Kammer wie 
bei der Regierung und im Lande beschränkt sich heute darauf, allezeit 
standhaft zu bleiben, mit einer männlichen Zähigkeit, unerschütterlich, ohne 
Rast, ohne Vorbehalt, ohne Grenzen ihrer Mühen und Opfer, standhaft 
zu bleiben für das Wohl und die Größe Italiens. 
Am 17. März kommt endlich die Aussprache über die Wirtschafts- 
politik der Regierung zum Abschluß. Ministerpräsident Boselli erklärt, 
er empfinde es als Genugtuung, daß mehrere Redner den Verbündeten 
Italiens und der Widerstandskraft des italienischen Volkes freundliche Worte 
Europäischer Geschichtskalender. LVIII#8 32
	        
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