S#hweden. (November 28.—Dezember 28.) 631
praktisch die Friedensaktion durchführen sollen, vorbeisehe. Ob das Einzel-
programm, welches einesteils aus der Kriegskarte den Status quo fordert,
anderenteils Korrekturen der europäischen Landkarte und innerer staats-
rechtlicher Berhältnisse gemäß dem Nationalstaatenprinzip vorsieht, weiter
führt, als die allgemeine Sowjetformel, wird besonders von jenen bezweifelt,
welche geltend machen, daß die Kraft der Internationale bisher nicht aus-
reichte, Pässe abzuzwingen, und daß derzeit nur die russ. Demokratie, welche
ihren Delegierten zur Ententekonferenz mitsendet, direkten Einfluß auf
diplomatische Unterhandlungen ausübt. Die gute Absicht des mit Wärme
vorgetragenen Manifests wird nicht bestritten, aber es scheint unsicher, ob
die Destillierung einer mittleren Formel der Enttäuschung weiter Arbeiter-
kreise über diesen Abschluß des ersten Abschnitts der Konferenz vorbeugen
wird und die Gefahr aufwiegt, daß die Differenzen zwischen den nationalen
Parteien und innerhalb derselben unterstrichen werden.
Der „Frkf. Ztg.“ wird ferner aus St. gemeldet: Ueber das Mani-
fest herrscht in hiesigen Ententekreisen unverhohlene Befriedigung. Allgemein
fällt die vorsichtige Berührung des irischen Problems auf und das völlige
Außerachtlassen der ägyptischen sowie der indischen Frage. Wie verlautet,
ist der praktisch undurchführbare Vorschlag einer Volksabstimmung in Elsaß-
Lothringen unmittelbar auf Betreiben Brantings zurückzuführen, anderer-
seits zeht die einseitige Darstellung und Unterstreichung der belgischen Frage
auf den persönlichen Einfluß Huysmans zurück.
28. Nov. Königskonferenz in Christiania. (S. S. 641 f.)
14. Dez. (Upsala.) Eröffnung der internat. nichtpolitischen
Kirchenkonferenz. "„
Der Vorsitzende, Erzbischof Söderblom-Upsala, erklärt, die Schwierig-
keiten der Pässe und des Verkehrs machten es erforderlich, die allgemeine
Konferenz bis Mitte April 1918 zu verschieben.
28. Dez. Audienz einer finnländ. Abordnung beim König.
König Gustav empfängt eine aus drei hervorragenden finnländ.
Politikern, an deren Spitze Staatsrat Gripenberg steht, zusammengesetzte
Abordnung, die beauftragt ist, den skand. Regierungen die Selbständig-
keit Finnlands zu notifizieren und ihre Anerkennung zu erwirken.
Staatsrat Gripenberg hält an den König eine Ansprache, in
der er daran erinnert, daß der finnische Landtag und die finnische Regie-
rung Finnland als freien und unabhängigen Staat erklärt haben, und daß
das finnische Volk demnach aus der im Jahre 1806 erfolgten Vereinigung
mit Rußland ausgeschieden sei. Finnland wende sich an die freien Staaten
der Welt mit der Bitte, als vollständig unabhängig anerkannt zu werden,
und stütze sich hierbei auf das Selbstbestimmungsrecht, das das gegen-
wärtig herrschende Gerechtigkeitsgefühl auch für die kleinen Nationen fordere.
Im Namen der Geschichte und der durch mehr als 1000 Jahre gemeinsam
verfochtenen Ziele ergehe dieses Ansuchen zunächst an Schweden, welches
einst an dem Aufbau Finnlands und seiner Kultur mitgewirkt habe, auf
die das finnische Volk heute seine Forderung, als freier Staat von den
Völkern anerkannt zu werden, gründe. Finnland hoffe, daß Schweden die
Gerechtigkeit des Schrittes, den das finnische Volk getan nat. anerkennen
und die schwed. Regierung zustimmen werde, mit der finnischen Regierung
in freundschaftliche Beziehungen zu treten. ·
Der König erwidert: Ich bitte Sie, meinen herzlichen Dank für die
mir gemachte Mitteilung entgegenzunehmen. Ich schätze es lebhaft und mit
mir scherlih das ganze schwed. Volk, daß Sie sich zuerst an Schweden ge-