Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Rußland. (Februar 27.) 647 
Landes zu bewahren und zu festigen, sondern vor allem die Armee vor 
allen Erschütterungen zu schützen. Solche Vorgänge, wie die Verlegung 
einzelner Truppenformationen und geschlossener Truppenkörper lediglich aus 
politischen Erwägungen, dürfen nicht wiederholt werden, da sie nicht allein 
das Vertrauen des Volkes zur Armece erschüttern, sondern auch zur Ver- 
breitung antimonarchischer Ideen in den Reihen des Feldheeres beitragen. 
Wie wir in unserem Gesuch auf den Allerhöchsten Namen bereits er- 
wiesen haben, kann jetzt kein Zweifel darüber bestehen, daß in erster 
Linie eine Unschädlichmachung aller antimonarchischen Elemente und In- 
stitutionen erfolgen muß, die ib4R Pläne zur Umwandlung des Reiches 
in eine auf den Prinzipien der franz. Revolution aufgebaute Republik bis 
ins Kleinste ausgearbeitet und vollzugsbereit gemacht haben. Wie weit 
diese Agitation schon vorgeschritten ist, beweisen die Vorgänge in der Sitzung 
des Budgetausschusses der Reichsduma am 12. Jan. 1917 (Anlage 13 ent- 
hält das revidierte Stenogramm dieser Sitzung nebst Vorbericht), die 
vollauf unsere in der Denkschrift vom 22. Okt. 1916 niedergelegten Befürch- 
tungen, daß die Räumlichkeiten des Taurischen Palais den Führern der 
Aufstandsbewegung als Agitationszentrum dienen, bestätigen. Ferner ist 
als erwiesen zu erachten, daß das Mitglied der Reichsduma (Zensurlücke). 
Die sofortige Verhaftung der (Zensurlücke). Die Ausführung der von uns 
empfohlenen Maßnahmen auf Grund der Reichsgesetze — und nicht unter 
Berufung auf §8 87 — muß nicht in Tagen, sondern in Stunden erfolgen. 
Der Minister des Innern Protopopow soll in einer „Ergänzungs- 
schrift" im gleichen Sinne dem Zaren seine Auffassung dargelegt haben. 
27. Febr. (Duma und Reichsrat.) Wiederaufnahme der 
Sitzungen. 
In der Duma äußert sich nach einer patriotischen Ansprache des 
Präsidenten Rodzianko Landwirtschaftsminister Rittich eingehend über 
die Ernährungspolitik der Regierung, insbesondere über die Getreidefrage. 
Er legt die Maßnahmen dar, die er zu ihrer Lösung getroffen habe. Die 
wichtigste sei die Verpflichtung für die Provinzen, in einem bestimmten 
Verhältnis Getreidemengen zu liefern, damit die Bedürfnisse des Heeres, 
der Bevölkerung und der für die Landesverteidigung beschäftigten Arbeiter 
vollkommen befriedigt werden können. Aber er könne nicht verhehlen, daß 
die Bevollmächtigten der Regierung zum Einkauf von Getreide für die 
Armee vor unüberwindlichen Schwierigkeiten ständen. Im Dez. und Jan. 
habe noch unter Schwierigkeiten Getreide beschafft werden können, es be- 
stehe jedoch keine Sicherheit, ob das auch weiter gelingen werde. Die 
Landbevölkerung besitze Geld genug und halte ihre Vorräte zurück. Daran 
sei das oppositionelle Verhalten gewisser Gesellschaftsschichten gegenüber der 
Tätigkeit des Landwirtschaftsministeriums schuld. Statt unter der Land- 
bevölkerung für die Herausgabe der vorrätigen Landwirtschaftsprodukte im 
öffentlichen Interesse Propaganda zu machen, werde unter ihr das Ver- 
trauen zur Regierung immer mehr untergraben. Die Duma sehe, daß er 
gar nicht optimistisch gestimmt sei, er fürchte sich vielmehr vor der Politik, 
die Zwietracht sät. — Hierauf verliest Schidlowski (Okt.) eine Erklärung 
des progressiven Blocks, die die jetzige Regierung für unfähig erklärt, das 
Vertrauen des Landes zu erwerben, und 1 ausffordert, sich zu reorgani- 
sieren, um wirksamer die durch den Krieg geschaffenen Schwierigkeiten zu 
bekämpfen. — Nach ihm sprechen Vertreter der verschiedenen Fraktionen 
über die innere Lage Rs Landes. Tscheidse (Soz.) wendet sich haupt- 
sächlich gegen die Politik des progr. Blocks. Er geißelt, daß der progr. 
Block das Friedensangebot Deutschlands für unwert erachtete, um sich damit
	        
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