Nußland. (März 5. .) 651
die von Kerenski erwähnte Obstruktion der russ. Bauern, die aus Furcht
vor eigenem Mangel ihre Vorräte zurückhielten, als eine ernste Gefahr.
Gegen Miljukow und den Block, der sortwährend beschäftigt sei, Mißtrauen
auszusäen, richtet R. scharfe Bemerkungen, die Beifall auf der Rechten,
Lärm auf der Linken erregen. Die von dem Städteverband zur Lösung
der Versorgungskrise vorgeschlagenen Maßnahmen weist R. als allzu theo-
retisch und daher unbrauchbar ab. Er erklärt ferner die vorgeschlagene
Einberniung einer Versammlung sämtlicher für die Landesverteidigung
arbeitenden Verbände in Anbetracht des Tagens der Duma als unnötig.
Schließlich weist er darauf hin, daß alles getan werden müsse, die tiefe
Kluft zwischen Produzenten und Konsumenten, die das gegenwärtige Wirt-
schaftsleben kennzeichne, zu überbrücken.
Schließlich nimmt die Duma nach Abschluß der Erörterungen über
die innere Politik eine Interpellation an, in der der Ministerpräsident,
der Landwirtschafts-, Kriegs-, Marine- und Verkehrsminister um Auskunft
ersucht werden, welche Maßnahmen sie zu ergreifen gedächten, um die Stö-
rungen in der Verpflegung von Heer und Bevölkerung zu beseitigen.
Skobelew (Soz.) begründet hierauf eine Interpellation wegen der
Verhaftung der Arbeitergruppe des Hauptausschusses der Kriegsindustrie
(s. S. 646): Die Liquidalion der Arbeitergruppe müsse als Beginn der Ver-
nichtung der gesellschaftlichen Organisationcn überhaupt angesehen werden.
In der jenyzigen Zeit könnten die Arbeiter nicht schweigen, sie würden die
Möglichkeit finden, ihren Willen durchzusetzen. — Der Vizepräsident des
Ausschusses Konowalow (Kad.) verteidigt die verhafteten Arbeitervertreter
gegen die Vorwürfe der Regierung, daß sie für die Vorbereitung einer
Revolution tätig gewesen seien. Er verbürgt sich für die Vaterlandstreue
der Arbeitervertreter. Einige Mitglieder der Arbeitergruppe hätten sogar
an die Petersburger Arbeitermassen einen Aufruf verfaßt, in dem sie auf-
gesordert würden, Ausstände einzustellen und zur Arbeit in den Munitions-
werkstätten zurückzukehren. Es sei nicht verboten, sich mit politischen Fragen
zu beschäftigen. Der russ. Bürger habe zwar keine Rechte, sei aber trotz-
dem kein Sklave. Das Vorgehen der Regierung gegen die Arbeiter sei nur
ein neues Glied in ihrem Kompfe gegen die bürgerliche Gesellschaft. —
Kerenski erklärt, es handle sich bei der Interpellation nicht allein um die
verhafteten Arbeiterführer, sondern namentlich um die grundsätzliche Frage:
Jeder Russe müsse das Recht haben zur freien Meinungsäußerung, zur
politischen Betätigung und zur Versammlungsfreiheit. — Die Interpellation
wird mit überwältigender Mehrheit angenommen.
5. März. (Reichsrat.) Verkehr krise.
Nach dem Bericht des Regierungsvertreters über die zur Erleichterung
der Wareneinfuhr durch Sibirien geplanten Maßnahmen verliest der
Präsident des Hauptausschusses der Kriegsindustrie Gutschkow eine
von 36 Reichsratsmitgliedern unterzeichnete Interpellation über den kata-
strophalen Zustand des Verkehrswesens, in der angefragt wird, welche
Maßnahmen die Regierung zu ergreifen gedenkt, um dem vollständigen
Verfall des Verkehrswesens vorzubeugen, die Armee und das Land mit
Lebensmitteln, Brennstoffen und Rohwaren zu versorgen. — Der Reichsrat
beschließt einstimmig, die Interpellation zur Besprechung zuzulassen.
9. März. (Duma.) Lebensmittelnot.
Präsident Rodzianko gibt außerhalb der Tagesordnung eine Er-
klärung ab, in der es u. a. heißt: Die Unruhen, die infolge der Hungersnot
in Petersburg und vielen andern Städten Mittelrußlands ausgebrochen
sind, haben allmählich einen derartigen Umfang angenommen, daß sie nicht