Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Die österreichisch= ums#rische Monarchie. (April 14.) 63 
letzten Monaten wiederholt Gelegenheit, Erklärungen über die außenpoli- 
tischen Fragen abzugeben, und ich glaube, daß, falls wir eine Regierungs- 
erklärung für begründet und notwendig gefunden hätten, wir diese auch 
gemacht hätten. Bisher haben weder die verantwortlichen Faktoren des mit 
uns im Bündnis stehenden Deutschen Reiches noch diejenigen der Monarchie 
die Situation als eine solche gefunden, welche eine solche initiatorische Re- 
gierungserklärung involviert hätte. In bezug auf die Ver. Staaten hatte 
ich schon früher Gelegenheit, unseren Standpunkt zu kennzeichnen. Zu 
unserem großen Bedauern haben die Ver. Staaten erklärt, daß sie Deutsch- 
land gegenüber den Kriegszustand als bestehend erblicken, und daraus 
mußten wir die natürlichen Konsequenzen ableiten und die diplomatische 
Berbindung mit den Ver. St. abbrechen. Es ist dies eine so präzise Tat- 
sache, daß sie keiner weiteren Erklärung bedarf. Meiner Auffassung nach 
würden wir einen Fehler begehen, wenn wir daran noch was immer für 
Erklärungen knüpfen würden. Was wieder die Geschehnisse in Ruß- 
land anbelangt, wurden diesbezüglich im Deutschen Reichstage vom Reichs- 
kanzler Erklärungen abgegeben, und es erfolgte eine Orientierung im Wege 
der Presse durch unsern Minister des Aeußern (s. S. 55). Aber ich gehe 
noch weiter, es erfolgte auch eine Erklärung seitens der ung. Regierung, 
und zwar anläßlich des im Zusammenhange mit diesen Geschehnissen im. 
ung. Abgeordnetenhause eingebrachten Antrages, als infolge meiner Er- 
krankung an meiner Statt und auf mein Ersuchen im Namen der Re- 
gierung der Herr Finanzminister eine Erklärung abgab (s. S. 56 f.). Ich 
glaube daher, daß in dieser Hinsicht keine weitere Erklärung mehr not- 
wendig ist. Die Lage ist ganz klar. Es fällt niemand ein, sich in die 
inneren Angelegenheiten Rußlands einzumengen. Jene Ereignisse, welche 
sich im Innern des russ. Reiches abgespielt haben, führen hinsichtlich unserer 
Auffassung der Ziele der Monarchie, des Charakters unseres Krieges, der 
Intentionen der Monarchie und ihrer Verbündeten in betreff der Krieg- 
führung keinerlei Aenderung herbei, und ich glaube, daß, wenn wir nun 
in was für einer Erklärung immer jene ganz klaren Erklärungen wieder- 
holten, welche im Namen der verbündeten Mächte bereits abgegeben 
wurden, diese Wiederholung unsere Position nicht stärken, sondern nur 
schwächen würde, und daß sie nicht dem uns allen vor Augen schwebenden 
ehrlichen Frieden dienen, sondern ihn im Gegenteil kompromittieren würde. 
Die Antwort wird vom Hause zur Kenntnis genommen. 
Auf eine Interpellation des Grafen Hadik über die Vertagung des 
Abgeordnetenhauses erwidert Ministerpräsident Graf Tisza: Der Inter- 
pellant werse ihm vor, er habe der Nation eine Kritik unmöglich machen 
wollen. Nun hätte es sich höchstens darum handeln können, in Schwebe 
befindliche wichtige auswärtige Fragen ständig im Parlament zu verhandeln. 
Dies sei aber in den seltensten Fällen von Nutzen, vielmehr in den meisten 
Fällen schädlich. Uebrigens frage er, ob zur Zeit der Koalitionsregierung, 
als überaus kritische Fragen wie die damaligen Ereignisse in der Türkei 
und die Annexion Bosniens auf der Tagesordnung und eine monatelang 
dauernde gespannte Situation wiederholt die Gefahr eines Krieges nahe 
brachte, die Regierung im Parlament Erklärungen über die auswärtige 
Lage abgegeben habe. Was die Frage der Vertagung betrifft, so habe ihn 
in den letzten Wochen sehr oft der Gedanke gequält, ob er noch weiter die 
Berantwortlichkeit für die vollkommen zwecklose Vergeudung tragen könne, 
welche im Abgeordnetenhause getrieben werde. Er übernehme ruhig die 
Verantwortung dafür, daß er den Szenen, welche sich mitten im Weltkriege 
ohne jeden gerechten Grund vorgestern im Abgeordnetenhaus abgespielt 
haben, auf dem einfachsten, kürzesten und glattesten Wege ein Ende machte.
	        
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