Die Ssterreichisch,umgarische Menarchie. (April 19.) 67
haben uns in dieser schweren und harten Kriegszeit, in welcher sich eine
unvergleichliche Kraftentfaltung aller Bölker der Monarchie, insbesondere
des deutschen Volkes, erwiesen hat, der Hoffnung hingegeben, daß aus ihr
jene Grundlagen erwachsen werden, auf denen nach unserer Ueberzeugung
ein neues, mächtiges Oesterreich aufgebaut werden kann. Wir sind seit jeher
mit allen unseren Kräften bemüht, an dieser Neuordnung der Dinge mit-
zuarbeiten, und wir werden alles aufbieten, um dem schleunigst einzu-
berufenden Parlament die Arbeitsfähigkeit und Arbeitsmöglichkeit zu sichern.
Wir können aber unsere tiefe Besorgnis nicht unterdrücken, daß
unabweisbare Staatsnotwendigkeiten, welche das Lebensinteresse
ganz Oesterreichs betreffen, infolge zwingender Verhältnisse der-
malen in den Hintergrund getreten sind. Wir wenden uns daher
vertrauensvoll an Ew. Maj. mit der Bitte, der Erfüllung dieser
Staatsnotwendigkeiten landesväterlich zu gedenken und uns
durch huldvolle Entgegennahme dieser Bitte die Möglichkeit zu gewähren,
auch unserseits in der Bevölkerung auftauchende Besorgnisse zu zerstreuen.
Die Bölker Oesterreichs hoffen, daß die schweren Opfer dieses uns auf-
gedrängten unerhörten Ringens um Ehre und Bestand unseres Vaterlandes
durch einen ehrenvollen Frieden belohnt werden, den wir dankbarst-aus
der Hand Ew. Mai. mit dem Versprechen empfangen wollen, daß das
deutsche Bolk an der Friedensarbeit treu und unentwegt mitarbeiten wird
zum Ruhme und zur Größe Oesterreichs.
Kaiser Karl erwidert: Indem Ich Ihnen, Meine geehrten Herren,
für die Kundgebung loyaler Gefühle, in denen Ich mit Freuden einen
neuen Beweis für die treue Gesinnung des deutschen Volkes in Oesterreich
und seine Anhänglichkeit an das Herrscherhaus erblicke, herzlichst danke,
versichere Ich Sie, daß Ich den Ernst und den Eifer Ihrer politischen Be-
strebungen dem vollen Werte nach anerkenne. Des beispielgebenden Opfer-
mutes, den die Deutschen in Oesterreich bewiesen, ihres auf den Schlacht-
feldern erprobten Heldenmutes, der Staatstreue, die sie unerschütterlich be-
wahrt, der Standhaftigkeit, mit der sie sich im Ertragen der Entbehrungen
des Krieges hervorgetan haben, gedenke Ich dankbar. Sie werden Meinem
Gedächtnis nicht entschwinden. Mein Vertrauen ist den Deutschen
Oesterreichs sicher. Es ist Meine Absicht, den Reichsrat in naher Zeit
einzuberufsen. Dem Wiederbeginn des parlamentarischen Lebens nach jahre-
langem Stillstand kommt in diesem Augenblicke außerordentliche Bedeutung
zu. Ich gewärtige von der Einsicht aller Parteien, daß sie in achtung-
gebietender Entschlossenheit für die höchsten Staatsinteressen und Staats-
notwendigkeiten eintreten werden. Ich zähle dabei auf die Deutschen in
Oesterreich, denen als sicheren Stützen der Staatseinheit bei der Ordnung
der Verhältnisse, die schon während des Krieges angebahnt wurde, und nach
seiner Beendigung mit Konsequenz durchgeführt werden muß, eine große
Aufgabe zukommt, deren Erfüllung Ich von ihnen zuversichtlich erwarte.
Meine Regierung wird an den Zielen, die ihr gesetzt sind, unverrückt fest-
halten. Ich rechne zuversichtlich darauf, daß im Parlament die Ueber-
zeugung von der Notwendigkelt eines einträchtigen Zusammenwirkens der
Vertreter aller Völker Oesterreichs die Verhandlungen beherrschen wird und
dadurch die Bedingungen für eine glückliche Zukunft Oesterreichs geschaffen
werden. Daß Sie, M. H., in diesem Sinne Ihre Kräfte in den Dienst der
gemeinsamen Sache stellen, dessen bin Ich sicher.
19. April. Die Mittelpartei des österr. Herrenhauses ver-
öffentlicht ihr neues Programm.
Das Programm tritt für eine sorgfältige planmäßige Pflege des österr.
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