Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Die ãsterreiqisq · angarisqe Monatihit. (April 25.) 69 
W. April. Eine halbamtliche Erklärung zu den Friedens- 
forderungen der Sozialdemokraten der Mittelmächte. 
Unter dem Titel: „Die Antwort an die Sozialdemokratie“ veröffent- 
licht das „Fremdenblatt" einen (von Graf Czernin inspirierten) Leit- 
artikel, in dem es u. a. heißt: Von dem Wunsche geleitet, das Ihrige zur 
Beendigung des furchtbaren Weltkrieges beizutragen, sind Vertreter der 
österr., ung. und deutschen Soz. in Berlin zusammengetreten, um die Frage 
zu erörtern, ob durch eine internat. sozialistische Beratung die Sache des 
Friedens gefördert und der Weg zum Friedensschluß geebnet werden 
könnte. Im Anschluß an diese Besprechungen (s. Tl. 1 S. 416 ff.) richtet 
die deutsche Soz. in der „Internat. Korr.“ (s. Tl. 1 S. 420 f.) die Frage 
an die Regierung, ob sie bereit sei, offiziell zu erklären, daß sie auf 
Annexionen verzichte, und in der Resolution des Parteitages, die in Berlin 
unter der Zustimmung der Vertreter aus Oesterreich und Ungarn gefaßt 
wurde, ist als wichtigste Pflicht der Partei bezeichnet, die Regierungen zum 
klaren Verzicht auf jede Eroberungspolitik zu veranlassen. Eine Erklärung 
über diesen Punkt wäre nun eigentlich überflüssig, da die verschiedenen 
Aeußerungen der österr.-ung. Regierung über die Friedensfrage die ge- 
wünschte Antwort schon enthielten. Wenn jedoch die Oeffentlichkeit eine 
neuerliche Erklärung hören möchte, so kann ihr gesagt werden, daß unsere 
Monarchie absolut keine aggressiven K##. gegen Rußland 
verfolgt und auch nicht beabsichtigt, ihr Gebiet auf dessen 
Kosten zu erweitern. Von soz. wie von jeder anderen Seite wird man 
gewiß anerkennen, daß die österr.-ung. Regierung damit in vollkommen 
offener und freimütiger Weise und ohne Umschweife sprach. Das Ausland 
darf in dieser Stellungnahme der österr.-ung. Regierung kein Zeichen von 
Schwächegefühl erblicken, wie hiermit ausdrücklich konstatiert werden mag, 
da die feindliche Presse, um die Wirkung unserer Friedenskundgebung zu 
durchkreuzen und ihren Sinn zu entstellen, dies dem Publikum der Entente- 
länder als Beweise der Abnahme unserer Widerstandskraft vorzuführen 
liebe Die gegen uns kämpfenden Völker würden sich, wenn sie solchen Dar- 
stellungen Glauben schenkten, in einem verhängnisvollen Irrtum befinden. 
Wir betonten immer wieder, daß wir einen Verteidigungskrieg führen, 
und daß wir ihn so lange fortsetzen werden, bis wir unseren Zweck er- 
reicht haben, der darin besteht, daß wir uns eine Sicherheit für unsere 
künftige Existenz schaffen. Wir sind nicht nur entschlossen durchzuhalten, 
wir fühlen uns auch militärisch und wirtschaftlich stark genug, um den 
Kampf auszufechten und die Feinde niederzuzwingen. Wenn wir uns be- 
reit gefunden haben, ein Friedensangebot zu machen, so geschah es, weil 
wir nutzlose Menschenschlächterei verhindern und alles aufbieten wollen, um 
die kostbaren Menschenleben, die die Fortführung des Krieges verschlingen 
muß, zu erhalten. Unsere Regierung legt den Soz. kein Hindernis in den 
Weg, auf dem internationalen Parteitag in Stockholm über den Frieden 
zu sprechen, hat es ihnen im Gegenteil erleichtert, zu dieser Aussprache zu 
gelangen. Das monarchische und angeblich reaktionäre Oesterreich-Ungarn 
und das politisch angeblich so rückständige Deutsche Reich gestatten ihren. 
Soz., hinauszugehen und über den Frieden zu sprechen, während es bis- 
her noch mehr als fraglich ist, ob das junge freiheitliche Rußland den Ver- 
tretern seiner Soz. erlauben wird, sich gleichfalls einzufinden, noch frag- 
licher, ob England, das sich als oberster Repräsentant aller demokr. Grund- 
sätze ausgibt, und ob das republ. Frankreich sich dazu herbeilassen werden. 
25. April. Der reichsrätliche Polenklub zur Lage. 
In einer Vollversammlung wird zunächst folgende vom Vorsitzenden 
 
	        
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