Kußland. (November 9.) 759
vollzogene Tatsache des Krieges bis zur Verblutung. Dann wird alles,
was die Regierungen des Ententekapitalismus über die Unmöglichkeit des
Friedensschlusses mit Deutschland, bevor der deutsche Militarismus zer-
trümmert ist, behauptet haben, den Augen der Völker als bestätigt gelten.
Nicht nur müßte die Antwort der russ. Arbeiterregierung in der Weiter-
führung des Krieges bestehen, sondern die Frage des Friedens würde bis
zur vollkommenen Niederlage eines oder anderen kriegführenden Lagers
aufgeschoben werden. In den Händen der deutschen Arbeiter liegt jetzt
die Entscheidung über den Frieden. Nötigen sie durch eine entschiedene
Aktion die deutsche Regierung, auf ihren Erpresserversuch zu verzichten,
dann öffnet sich das Tor nicht nur für den deutsch-russischen, sondern für
den allgemeinen Frieden. Denn der Widerhall einer energischen Aktion des
deutschen Proletariats würde es den Ententemächten unmöglich machen,
abzulehnen, in die Friedensverhandlungen zu treten. Die franz., engl.,
ital. Arbeiter würden bei der ersten Aktion, die ihnen anzunehmen erlaubte,
daß in Deutschland nicht nur die Soldateska das entscheidende Wort zu
sagen hat, ihre Regierungen zwingen, zu verhandeln. So ist die Lage:
stellen sich die deutsch., österr., franz., engl. und ital. Arbeiter auf die Seite
ihrer Kapitalistenregierungen, gegen die russ. Arbeiterregierung, dann ist die
Sache des Friedens auf unabsehbare Zeit geschädigt, stellen sie sich auf
die Seite der Arbeiterregierung gegen die Kapitalistenregierungen, so ist
die Schlacht gewonnen. Nicht nur die großen Kämpfe in Turin, die Streiks
und Matrosenbewegung in Deutschland erwecken die Hoffnung, daß die
Arbeiter Europas die richtige Wahl treffen werden. Die Bruchankündigung
des „Borwärts"“ für den Fall der Aufrechterhaltung des polnisch-kurländischen
Raubplanes ist ein Symptom das hoch zu bewerten ist. Es muß ein starker
Druck von unten auf die Scheidemänner ausgeübt werden, wenn sie mit
dem Bruch der Regierung drohen. Aber nicht um Drohungen, sondern um
Taten handelt es sich. Es handelt sich um die Wahl: Entweder für die
Arbeiterregierung — d. h. für den allgemeinen Frieden — oder für die
kapitalistischen Regierungen d. h. für den Krieg.
9. Nov. Friedensvorschlag d. Regierung der A. u. Bauern.
Die „JIswestija“ veröffentlicht folgende Kundgebung: Die durch die
Revolution vom 6. und 7. Nov. geschaffene Regierung der Arbeiter und
Bauern, die sich auf die A.= u. S.-Räte und auf den Bauernrat stützt,
schlägt allen kriegführenden Völkern und deren Regierungen vor, unverzüg-
lich in Verhandlungen über einen gerechten demokratischen Frieden ein-
zutreten. Unter einem gerechten und demokratischen Frieden, den die Mehr-
heit der Arbeiterklassen aller durch den Krieg erschöpften und zugrunde ge-
richteten kriegführenden Länder anstrebt und den die russischen Arbeiter
und Bauern nach dem Sturze der Monarchie gefordert haben, versteht die
Regierung einen Frieden ohne Annexionen, d. h. ohne widerrechtliche An-
eignung fremder Gebiete, ohne gewaltsame Einverleibung fremder Völker-
schaften und ohne Entschädigungen. Die russische Regierung schlägt allen
kriegführenden Völkern vor, sofort einen solchen Frieden abzuschließen und
die Bereitwilligkeit auszusprechen, ohne Verzug alle vorbereitenden Schritte
hierzu zu unternehmen, damit alle Bedingungen eines solchen Friedens
von den bevollmächtigten Versammlungen der Volksvertreter aller Länder
und Völker endgültig bestätigt werden können. Unter Annexionen versteht die
Regierung nach dem Rechtsbewußtsein der Demokratie im allgemeinen und
der Arbeiterklasse im besonderen jede Einverleibung einer kleinen oder
schwachen Völkerschaft in einen großen oder starken Staatf ohnel daß diese
Völkerschaft deutlich und freiwilligihre Zustimmung hierzu ausgesprochen