Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

762 Rußland. (November 12.) 
Aufstandes in der Hauptstadt herbeizuführen. Am 9. nachmittags ist er mit 
einem Teil seiner Truppen bereits in Gatschina. Am 10. kommt es zu 
einem heftigen Kampf in der Nähe von Zarskoje Selo. Gleichzeitig ergeht 
aus dem Lager Kerenskis folgender Aufruf: An alle Truppen des Peters- 
burger Militärbezirkes! Ich, der Ministerpräsident der Prov. Regierung und 
Höchstkommandierender der bewaffneten Macht der russischen Republik, bin 
heute an der Spite der dem Vaterland ergebenen Truppen eingetroffen. 
Ich befehle allen Truppen des Militärbezirkes Petersburg, welche entweder 
infolge Mißverständnisses oder durch Zwang sich der Bande der Verräter 
des Vaterlandes und der Revoulution angeschlossen haben, nicht eine Stunde 
zu zögern, zur Erfüllung ihrer Pflicht zurückzukehren. Dieser Befehl ist 
allen Kompagnien, Kommanden, Batterien, Eskadronen und Sotnien zu 
verlautbaren. Der Ministerpräsident der Prov. Regierung und Höchstkom- 
mandierender Kerenski. 
Die von der Ententepresse verbreiteten Nachrichten lauten zunächst für 
Kerenski günstig. Am 12. erleiden jedoch die Truppen Kerenskis bei Zarskoje 
Selo eine entscheidende Niederlage. 
„Reuter“ veröffentlicht darüber am 13. auf Grund eines drahtlosen 
Telegrammes folgende Kundgebungen der Maximalisten: 
1. Gestern besiegte die revolutionäre Armee nach erbittertem Kampfe 
bei Zarskoje Selo die gegenrevolutionären Truppen unter Kerenski und 
Kornilow vollständig. Im Namen der revolutionären Regierung befehle ich, 
allen Feinden der revolutionären Demokratie Widerstand zu bieten und alle 
für die Verhaftung Kerenskis notwendigen Maßregeln zu treffen. Auch ver- 
biete ich, ähnliche abenteuerliche Unternehmungen, die das Gelingen der 
Revolution und den Triumph der revolutionären Armee in Gefahr bringen. 
gez.: Murajew, Oberbefehlshaber der gegen Kornilow kämpfenden Truppen. 
2. Die Nacht vom 12. Nov. wird in der Geschichte fortleben. Auf 
Kerenskis Versuch, gegenrevolutionäre Truppen gegen die Hauptstadt vor- 
rücken zu lassen, ist die entscheidende Antwort gegeben. Kerenski zieht sich 
zurück; wir ergreifen die Offensive. Die Soldaten, Matrosen und Arbeiter 
von Petersburg wissen, daß sie, mit den Waffen in der Hand, willens sind, 
der Demokratie zum Siege zu verhelfen. Sie werden das tun. Die Bour- 
geoisie trachtete, die Armee von der Revolution zu scheiden. Kerenski ver- 
suchte, sie durch die Macht des Kosakentums zu vernichten. Beide Ber- 
suche mißglückten. Arbeiter und Bauern! Der große Gedanke der Ober- 
herrschaft der Demokratie vereinigte alle Ränge in der Armee und stählte 
ihren Willen. Das ganze Land wird sehen, daß die Herrschaft der Sowjets 
nicht nur vorübergehender Natur ist, sondern eine unabänderliche Tatsache, 
daß sie die Uebermacht der Arbeiter, Soldaten und Bauern bedeulet. 
Kerenski Widerstand leisten, heißt den Grundbesitzern, der Bourgeoisie und 
Kornilow Widerstand leisten. Kerenski bekämpfen, bedeutet auch eine Be- 
festigung des Rechts des Volkes auf Frieden, Freiheit, Land, Brot und 
Macht. Die Abteilung aus Pulkowa (Ort bei Petersburg) stärkte durch einen 
tapferen Schlag die Sache der Revolution. Arbeiter und Bauern! Es darf 
keine Räker zur Vergangenheit mehr geben. Wir müssen noch kämpfen 
und uns aufopfern, um die Hindernisse aus dem Wege zu räumen. Aber 
der Weg ist jetzt frei und der Sieg sicher. Das revolutionäre Rußland und 
die Sowjets haben ein Recht darauf, auf die Abteilung aus Pulkowa, die 
unter dem Befehl des Obersten Walden stand, stolz zu sein. Laßt uns alle- 
zeit der Gefallenen gedenken und die Kämpfenden verherrlichen! Lang lebe 
das revolutionäre, demokratische und sozialistische Rußland! Im Namen 
der Volkskommissare: gez.: Trotzki. . 
Am 16. besetzen die Maximalisten Gatschina, wo der Stab Kerenskis
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.