Die ssterreichisch-ungarische Menarchie. (Mai 2.—4.) 73
bekundet, gegen jede Verlängerung des Blutvergießens und der Vernichtung
von Menschenleben und Bölkerwohlstand Einspruch erhebt, mit freudiger
Zastimmung die begonnenen Verhandlungen der vereinigten Parteien
eutschlands, Oesterreichs und Ungarns mit den Bruderparteien des Aus-
landes begleitet, welche bezwecken, der brüderlichen Solidarität des Prole-
tariats aller Länder neuerlich Ausdruck zu geben, und mit leidenschaftlicher
Teilnahme das Proletariat Rußlands begrüßt, „das in seinem Helden-
kampfe nicht nur sich selbst, sondern ganz Europa von dem Joch und der
Geißel des Zarismus befreit und damit der ganzen Menschheit die Bahn
einer neuen politischen und sozialen Entwicklung freigemacht hat.“
2. Mai. Kaiser Karl verleiht dem Minister des Außern Grafen
Czernin das Großkreuz des St. Stephan-Ordens.
2.—5. Mai. (Galizien.) Kaiser Karl besucht die gal. Front.
Auf der Rückreise berührt er Krakau, wo er beim Empfang des
Präsidiums des Polenklubs in Beantwortung einer Ansprache des Ob-
mannes Bilinski ausführt: Das von gegenseitigem Vertrauen erfüllte Ver-
hältnis, das sich zwischen meinem Großoheim und den Polen herausgebildet,
will ich mir erhalten. Von aufrichtigen Sympathien für die pol-
nische Nation beseelt, will ich an dem neuerrichteten polnischen Staat
mitbauen und das Handschreiben meines hochseligen Vorgängers vom
4. Nov. 1916 verwirklichen. Möge das Land darin ein gewichtiges Zeichen
meines hervorragenden Vertrauens erblicken, wodurch die Eintracht der
beiden das Land bewohnenden Bölker geschaffen und Galizien um so inniger
mir und meinem Haus verbunden werden soll.
2. Mai. (Budapest.) Demonstrationsstreik der Arbeiter gegen
den Wahlrechtsreformplan der Regierung.
3. Mai. (Ungarn.) Die Opposition gegen ein Koalitionskabinett.
Die Abg. der Verfassungspartei Graf Moritz Esterhazy und Graf
Stephan Bethlen teilen dem Ministerpräsidenten Grafen Tisza mit, daß sie
nach Besprechungen mit ihrem Parteiführer sowie mit den Führern der
übrigen oppositionellen Parteien aus sachlichen Gründen nicht in der Lage
seien, das Anerbieten des Ministerpräsidenten in das Kabinett einzutreten,
anzunehmen.
4. Mai. Ablehnung der Annerxionisten.
Der „Pester Lloyd“ erhält von Wiener informierter Stelle eine
Erklärung, die er an leitender Stelle veröffentlicht. Es wird darin vor
allem festgestellt, daß die Meinung, als ob zwischen den Mittelmächten
in der Auffassung über die Kriegsziele ein Gegensatz entstanden wäre,
irrig sei. Dann heißt es weiter: Entstanden ist der irrige Eindruck offenbar
dadurch, daß jener Teil der deutschen Presse, der so ziemlich seit Kriegs-
beginn für ein Programm weitgehender Annexionen eintrat, mit den Kriegs-
zielen, die Graf Czernin für Oesterreich--Ungarn gegenüber Rußland bekannt
gab, nicht einverstanden ist. Die Annexionisten in Deutschland führen
gegen den Reichskanzler die bitterste Fehde, und niemand kann sich darüber
wundern, daß sie dem Grafen Czernin, der sich dem russischen Gegner
gegenüber zu einem annexionslosen Programm bekannte, nicht übermäßig
hold gesinnt sind. Aber ebenso selbstverständlich ist, daß dies für die Politik
und für das Verhältnis der Regierungen nichts zu bedeuten hat. Weiter
wird festgestellt, daß die Regierungen der Mittelmächte sich der Ueberein-
stimmung in ihrer Kriegs- und Friedenspolitik unbedingt sicher fühlen.