Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

770 Kußland. (November 28.) 
diese Frage hängt es ab, ob wir dem neuen Wintkerfeldzuge mit allen seinen 
Schrecken und seinem Elend entgehen werden oder ob Europa auch weiter- 
hin von Blut durchströmt wird. Wir, der Rat der Bolkskommissare, wenden 
uns mit dieser Frage an die Regierungen unserer Verbündeten: Frankreich, 
Großbritannien, Italien, Ver. Staaten, Belgien, Serbien, Rumänien, Japan, 
China. Wir fragen sie vor dem Angesicht ihrer eigenen Völker, vor dem 
Angesichte der ganzen Welt, ob sie einverstanden sind, (gemeinsam mit uns 
am 1. Dez.) Friedensverhandlungen einzuleiten. Wir, der Rat der Bolks- 
kommissare, wenden uns an die verbündeten Völker, in erster Reihe an die 
arbeitenden Klassen, ob sie einverstanden sind, diese sinnlose Metzelei fort- 
zusetzen, blind dem Verderben der europäischen Kultur entgegenzugehen. 
Wir verlangen, daß die Arbeiterparteien der verbündeten Länder unverzüg- 
lich die Frage beantworten, ob sie mit der Einleitung der Friedensverhand- 
lungen (am 1. Dez.) einwerstanden sind. Die Frage ist klar und deutlich gestellt. 
Soldaten, Proletarier, Arbeiter und Bauern! Wollt Ihr zusammen 
mit uns einen entscheidenden Schritt dem Frieden der Völker entgegen 
machen? Wir, der Rat der Volkskommissare, wenden uns an die Arbeiter- 
klassen von Deutschland, Oesterreich, der Türkei und Bulgarien: Der Friede, 
den wir beantragt haben, soll ein Völkerfriede sein. Er soll ein Ehren- 
friede des Einverständnisses sein, der einem jeden Volke die Freiheit der 
wirtschafilichen und kulturellen Entwicklung sichert. (Ein solcher Friede kann 
nur mit Hilfe eines direkten und mutigen Kampfes von seiten der revo- 
lutionären Massen gegen die imperialistischen Pläne und Eroberungswünsche 
geschlossen werden.) Die Arbeiter- und Bauernrevolution hat schon ihr 
Friedensprogramm bekanntgegeben. Wir haben die Geheimverträge des 
Zaren und der Bourgeoisie mit den Verbündeten veröffentlicht und diese 
Verträge für unverbindlich für das russische Volk erklärt. Wir beantragen 
mit allen Völkern öffentlich einen neuen Vertrag auf der Grundlage des 
Einverständnisses und der Zusammenarbeit zu schließen. Unseren Antrag 
haben die offiziellen und offiziösen Vertreter der regierenden Klassen der 
verbündeten Länder mit der Weigerung beantwortet, die Räteregierung 
anzuerkennen und sich mit ihr ins Einvernehmen über die Friedensverhand- 
lungen zu setzen. Die Regierung der siegreichen Revolution entbehrt der 
Anerkennung der professionellen Diplomatie. Aber wir fragen die Bölker, 
ob die reaktionäre Diplomatie ihre Gedanken und Bestrebungen zum Aus- 
druck bringt, ob die Völker der Diplomatie erlauben, die große Friedens- 
möglichkeit, die durch die russische Revolution eröffnet wurde, fallen zu 
lassen. Die Antwort auf diese Frage (muß sofort gegeben werden, eine 
Antwort nicht mit Worten, sondern mit Taten. Die russische Armee und 
das russische Volk können unmöglich länger warten. Am 1. Dez. schreiten 
wir zu den Friedensverhandlungen. Wenn die verbündeten Nationen ihre 
Vertreter nicht schicken, werden wir mit Deutschland die Verhandlungen 
allein führen. Wir wollen einen allgemeinen Frieden, doch wenn uns die 
Bourgeoisien der verbündeten Staaten zu einem Separatfrieden zwingen, 
wird die Verantwortung ausschließlich auf sie fallen. Soldaten, Arbeiter, 
Bauern Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, der Ver. Staaten, Bra- 
siliens, Serbiens, Rumäniens, Japans und Chinas. Am 1. Dez. werden 
die Friedensverhandlungen beginnen. Wir erwarten Eure Vertreter. 
Handelt! Verliert keine Zeit!) Nieder mit dem Winterfeldzug! (Fort mit 
dem Krieg!) Es lebe der Friede und die Völkerverbrüderung! Der Bolks- 
kommissar für Ausw. Angelegenheiten: Trotzki. Der Vorsitzende des Rates 
der Bolkskommissare: Uljanow-Lenin. 
Die in Klammern gesetzten Säße fehlten in der von dem k. u. k. Armee- 
oberkommando am 29. Nov. veröffentlichten Fassung des Funkspruches. — Die
	        
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