Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

772 Rußlaud. (Dezember 2. 3.) 
mission) bestehe. Kamerad Trotzki erklärte, die Formalitäten der Angelegen- 
heit seien belanglos und durch die Erklärung des Generals: „Die Zeit der 
Drohungen und Proteste gegen die Macht des Rates ist vorbei“ erledigt. 
Am 5. Dez. meldet dazu „Reuter“ aus Washington: Das Staats- 
departement erklärt amtlich, daß Oberst Johnson und Major Kerth, zeit- 
weiliger Militärattaché, ohne Instruktion der Regierung gehandelt haben, 
als sie der Bolschewikiregierung über die Haltung der Ver. Staaten bezüg- 
lich der Anstrengungen der Bolschewiki zur Erzielung eines Separatfriedens 
mit Deutschland Mitteilung machten. 
2. Dez. (Georgien.) Eröffnung der Georg. Nationalversamm- 
lung in Tiflis. 
Der Kongreß beschließt, dem neugegründeten transkaukasischen Kom- 
missariat (s. S. 781) seine volle Unterstützung zu gewähren. Ferner beschließt 
der Kongreß, bis zum Zusammentritt des transkaukasischen Landtages einen 
nationalen georgischen Rat aus 67 Personen zu bilden, der die georgische 
Verf. Versammlung vorbereiten soll. 
3. Dez. Beginn der Waffenstillstandsverhandlungen in Brest- 
Litowsk. 
Näheres s. in dem besonderen Abschnitt am Schluß des Kalendariums. 
3. Dez. Trotzki über seine Politik. 
In dem Zirkus Modern in Petersburg erstattet Volkskommissar 
Trotzki einen Bericht über die bisherige Tätigkeit der Volksregierung. Er 
führt aus, das Hauptproblem des Landes nach acht Monaten Revolution 
sei der Frieden. Zur Erreichung dieses Zweckes habe man die Bourgeeisie- 
regierung und Kerenski beseitigt. Die erste Pflicht der neuen Regierung 
sei das Angebot eines Waffenstillstandes an allen Fronten gewesen zur 
Herbeiführung eines Friedens auf Grund der russischen Formeln, nach 
denen jedes Volk durch Volksbestimmung selbst zu entscheiden habe, zu 
welchem Lande es gehören wolle. T. bemerkt, die Maximalisten hätten an- 
fangs wenig Anhang gehabt. Jetzt hätten sie ganz Rußland hinter sich 
mit Ausnahme der sich die Partei der nationalen Freiheit nennenden 
Kadetten, die in Wirklichkeit Feinde der Freiheit seien. Er bespricht kurz 
das Verhältnis der Volksregierung zu den Alliierten, wobei er bemerti, 
Kerenski habe zu ihnen gesprochen wie ein Bedienter zum Herrn. Aber 
man werde ihnen zeigen, daß sie mit der russischen Volksregierung auf 
dem Fuße der Gleichberechtigung zu verkehren haben. Die Regierung 
werde nicht einen diplomatischen, sondern einen Volksfrieden schließen. 
3. Dez. Besetzung des Hauptquartiers in Mohilew. 
Oberbefehlshaber Krylenko richtet über die Aufhebung des Haupt- 
quartiers folgende Kundgebung an die Mannschaften und ESeeleute: 
Witebsk, 20. Nov. 3. Dez. 1917. Ich bin an der Spitze der revolutionären 
Truppen in Mohilew eingerückt. Das von allen Seiten umzingelte Haupt- 
quartier hat sich ohne Kampf ergeben. Das letzte Hindernis zur Erreichung 
des Friedens ist gefallen. Ich kann die traurige Tatsoche der Ermordung 
des früheren Oberbefehlshabers Duchonin nicht mit Stillschweigen über- 
gehen. Der Haß des Volkes hat über die Stränge geschlagen. Trotz allen 
Versuchen, Duchonin zu retten, wurde er aus dem Wagen gerissen und 
getötet. Die Flucht des Generals Kornilow am Vorabend des Falles des 
Hauptguartiers war die Ursache der Ausschreitungen. Kameraden! Ich 
ann die Befleckung der Fahne der Revolution nicht zulassen. Derartige 
Handlungen müssen auf das strengste verurteilt werden. Seid der errungenen
	        
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