Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

776 Naßland. (Dezember 8.—10.) 
Marinegerichte und die Handelsgerichte ab. Alle diese Institutionen werden 
durch besondere Gerichte ersetzt werden, die auf dem Wege der Volkswahl 
aufgestellt werden. Die Friedensrichter werden ebenfalls durch direkte Wahl 
ernannt. Die Staatsanwaltschaft, die Untersuchungsrichter und die Advokotur 
werden ebenfalls aufgehoben. Die Richter werden auch als Untersuchungs- 
richter wirken. Die Anklage und die Verteidigung des Angeklagten kann 
durch jeden Bürger vorgenommen werden, der im Besitz seiner bürgerlichen 
und politischen Rechte ist. Das Begnadigungsrecht wird ausschließlich der 
richterlichen Gewalt zustehen. Ein besonderer Paragraph ruft Revolutions- 
tribunale ins Leben, die aus einem Präsidenten und sechs Arbeitern und 
Bauern zusammengesetzt sind und die die gegenrevolutionären Angelegen- 
heiten abzuurteilen haben. 
8. Dez. (Ukraine.) Neutralitätserklärung. 
Auf indirektem Wege wird schweizerischen Blättern vom Ukrainischen 
Pressebüro mitgeteilt: Die Diplomaten der Entente haben der Ukrainischen 
Zentralrada erklärt, ihre Regierungen seien bereit, die ukrainische Republikt 
anzuerkennen, wenn die Ukraine sich verpflichte, den Krieg an der Seite der 
Verbündeten fortzusetzen. Diesem Anerbieten gegenüber hat das ukrainische 
Parlament geantwortet, die Ukraine wünsche strenge Neutralität zu be- 
wahren, um sich die Freundschaft beider kriegführenden Parteien zu erhalten. 
9. Dez. Friedensmanifest sozialistischer Gruppen. 
Die Zentralausschüsse der meisten sozialistischen Parteien und der aus- 
führende Ausschuß der Bauerndelegierten veröffentlichen ein Manifest an 
alle Bürger, das die Notwendigkeit eines sofortigen allgemeinen Friedenz 
betont und alle Bestrebungen der Maximalisten, zu einem gesonderten 
Waffenstillstand zu gelangen, scharf verurteilt. « 
10. Dez. Erklärungen des britischen Botschasers. 
Der englische Botschafter Buchanan empfängt Vertreter der russischer 
Presse und begrüßt die Gelegenheit, an die russische Demokratie gegenüber 
denjenigen appellieren zu können, die von der britischen Politik absichtlich 
eine falsche Darstellung geben. Er versichert die Pressevertreter der Teil- 
nahme Englands für das russische Volk, das durch die schweren Kriegs- 
opfer und die allgemeine Desorganisation erschöpft sei, die die unvermeid- 
liche Folge der großen Umwälzung der Revolution sei. Der Botschafter 
führt weiter aus: Wir hegen keinen Groll, und es gibt nicht ein Körnchen 
Wahrheit in den Berichten, daß wir für den Fall, daß Rußland einen 
Sonderfrieden schließt, irgendwelche Strafen oder Zwangsmaßnahmen in 
Erwägung ziehen. Die Tatsache, daß der Rat der Volkskommissare Ver- 
handlungen mit dem Feinde ohne vorhergehende Beratungen mit den Ver- 
bündeten eröffnet hat, ist ein Bruch der Vereinbarungen vom Sept. 1914, 
über den wir uns mit Recht beklagen. Wir können keinen Augenblick die 
Gültigkeit der Behauptung anerkennen, daß der mit der autokratischen 
Regierung geschlossene Vertrag keine bindende Kraft für die Demokratie, 
durch die jene ersetzt wurde, haben könne, denn ein solcher Grundsatz würde, 
einmal angenommen, die Stabilität aller internationalen Abmachungen 
untergraben. Aber wenn wir auch diese neue Lehre zurückweisen, so wünschen 
wir doch nicht, einen Verbündeten, der nicht mehr mittun will, zu ver- 
anlassen, weiterhin seinen Teil zu den gemeinsamen Anstrengungen bei- 
zutragen, indem wir auf Vertragsrechte pochen. Die englische Regierung 
wünscht ebenso wie die russische Demokratie einen demokratischen Frieden. 
Der Rat der Volkskommissare irrt aber, wenn er glaubt, diesen Frieden 
dadurch sichern zu können, daß er einen sofortigen Waffenstillstand fordert,
	        
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