Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

786 Rußland. (Dezember 24. 25.) 
Sie schlagen die unverzügliche Einberufung einer internationalen soziali- 
stischen Konferenz vor, um den internationalen Druck des Proletariats auf 
alle imperialistischen Regierungen zu organisieren, der zu einem wirklichen 
allgemeinen, demokratischen Frieden verhelfen soll. 
24. Dez. Bildung einer revolutionären Koalitionsregierung. 
Die „Petersb. Tel.-Ag.“ meldet: Zwischen dem Ausschuß der Vokks- 
kommissare und dem Zentralausschuß des linken Flügels der Sozialrevolu- 
tionäre (s. 11. Dez.) ist eine Einigung über die Bildung der Regierung zustande 
gekommen. Die sozialrev. Linke erhält sieben Plätze. Kommissar für Acker- 
bau wird Kalegaew, für Justiz Steinberg. für Selbstverwaltung Tren- 
towski, für Verwaltung des republikanischen Palastes Ismailowitsch. Außer- 
dem stellt die sozialrev. Linke drei Minister ohne Portefeuille. Die „Times“ 
veröffentlichen dazu am 28. Dez. ein Telegramm aus Petersburg, in dem 
es heißt: Dieser Schritt war die Folge des Umstandes, daß die Sozial= 
revolutionäre sicher die Mehrheit in der Konst. Versammlung haben werden. 
Das neue Element in der Regierung dürfte dafür sorgen, daß die Bolschewikt 
weniger scharf gegen ihre Gegner auftreten als bisher. Was aber die Friedens- 
frage betrifft, besteht offenbar keine Meinungsverschiedenheit. 
24. Dez. Schwere Niederlage Kornilows. 
Die „Petersb. Tel.-Ag.“ meldet: Die Abteilung Kornilow, die sich aus 
Todesbataillonen zusammensetzt, im ganzen 6000 Mann mit 200 Maschinen= 
gewehren, wurde vollständig geschlagen und durch Matrosen der Baltischen 
Meer-Flotte, der Schwarzen Meer-Flotte und die Polnische Legion 100 Werst 
weit im Gouvernement Charkow verfolgt. 
24. Dez. (Beßarabien.) Eröffnung des Landesrates. 
Die „Neue Zürch. Ztg.“ meldet: In Beßarabien, das sich Mitte Nov. 
selbständig erklärt hatte, wurde nunmehr das erste oberste Staatsorgan, 
der sogen. Rat des Landes, ins Leben gerufen und in Kischinew feierlich 
eröffnet. Dieser Landesrat besteht aus 150 Deputierten, die sämtliche Natio- 
nalitäten Beßarabiens vertreten. In seiner Programmrede betonte der 
Präsident, es sei der Wille Beßarabiens, zur russischen Bundesrepublik zu 
gehören und vor allem den Kampf gegen die Anarchie in den Städten und 
auf dem Lande Beßarabiens zu unterdrücken. Am 31. wird die Gründung 
einer „Republik Moldau“ gemeldet. 
25. Dez. (Ukraine.) Teilnahme an den Friedensverhandlungen. 
Das ukr. Generalsekretariat richtet an die kriegführenden und 
neutralen Mächte sowie an den Vertreter der Rada bei den Friedens- 
verhandlungen eine Note, worin es heißt: Durch das Universal der ukr. 
Rada vom 20. Nov. 1917 (s. S. 765 f.) wurde die Ukraine zur Stellung eines 
selbständigen Staates erhoben. Die ukr. demokratische Republik strebt die 
Bildung einer föderativen Republik an, die alle Länder des früheren 
russischen Reiches umfassen soll. Solange aber keine föderative Regierung 
existiert und solange die auswärtige Vertretung der föderativen und der 
ukrainischen Regierung nicht geregelt wird, tritt die ukr. Republik mit ihrer 
Regierung, dem Generalsekretariat, den Weg der selbständigen internatio- 
nalen Beziehungen an. Die ganze Demokratie des ukr. Staates erstrebt 
den Weltfrieden, den allgemeinen Frieden unter allen kriegführenden Staaten. 
Der Friede soll allen, sogar den kleinsten Völkern in jedem Staat die Frei- 
heit der volksrechtlichen Selbstbestimmung sichern. Die ukr. demokratische 
Republik hat jetzt ihre eigene Front und wird in den internationalen An- 
gelegenheiten selbständig durch ihre eigene Regierung vertreten, welche die
	        
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