Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

4 Ist ãsterreitisq ·mgarise Nenarqit. (Januar 1.) 
nischen Angriff zur Reife. Die rum. Gefahr bedrückte meine sorgenvollen 
Gedanken schon seit Anbeginn des Krieges. Mir, der ich einen großen Teil 
der Verantwortung, der Sorge für das Schicksal der ung. Nation trug, be- 
reitete während des ganzen Krieges nichts so viele schlaflose Nächte wie 
der rum. Verrat. Ich kann vielleicht behaupten, daß bereits vor dem Kriege 
den Eckstein unserer Bestrebungen der Wunsch bildete, auf dem Balkan eine 
Lage zu schaffen, welche unser Vaterland und die Monarchie etwaigen Front- 
änderungen der rum. Politik gegenüber sichern sollte. Die Arbeit mußte in 
dieser Richtung fortgesetzt werden von dem ersten Momente an, in welchem 
die unvorhersehbaren Eventualitäten des Weltkrieges uns näherrückten. Was 
meint Ihr, welche Fragen, welche Gedanken bewegten die in verantwort- 
licher Stellung befindlichen Männer im Frühjahr des Jahres 1915, als die 
letzten Tore der Südhänge der Karpathen unter den wuchtigen Schlägen 
der Russen erdröhnten, als unsere ganz unverteidigt scheinenden Grenzen 
vom russischen Einbruch bedroht waren, als wir mit größter Wahrscheinlich- 
keit damit rechnen mußten, daß dem ital. Verrat der rum. folgen werde, 
und als unser treuer türk. Bundesgenosse noch isoliert von uns getrennt 
kämpfte, Bulgarien aber den Standpunkt der Neutralität noch nicht ver- 
lassen hatte? Die erste Aufgabe war, dieser Lage abzuhelfen und unsere 
verbündete Gruppe zu einem zusammenhängenden einheitlichen Block zu 
gestalten, damit dieser auch diesen neuen Gefahren die Stirn zu bieten ver- 
mag. Die ganze Frage der rum. Gefahr gelangte in ein anderes Stadium, 
als auch Bulgarien sich unserem Bund anschloß. Und als im Sommer des 
Jahres 1916 die rum. Gefahr wieder aktuell wurde, harrte unser nur noch 
die Aufgabe, daß wir die Kooperation mit unseren Verbündeten, mit dem 
Deutschen Reiche, Bulgarien und der Türkei, auch auf diesem neuen Kampf= 
gebiet in vollem Maße verwirklichten. Und die hingebungsvollen gemein- 
samen Anstrengungen für die gemeinsamen Ziele kamen niemals in so er- 
hebend schöner Weise zum Ausdrucke wie in der Frage der rum. Gefahr. 
In den Monaten Juni und Juli des Jahres 1916 mußten im Hinblick 
auf Rumänien zwei Aufgaben gelöst werden: Einerseits einen Kriegsplan 
festzustellen, welcher alle Kräfte gegen den neuen Feind konzentrierte und 
die vereinte Mitwirkung aller Verbündeten sicherte, und außerdem mußte 
der siegreich vordringende russische Feind auf der galizischen und wolhyni- 
schen Front zum Halten gebracht werden. Dorthin mußte jeder Mann ge- 
bracht werden, dort war der letzte Tropfen unserer Kraft notwendig, so 
lange, bis wir dort die Gefahr abgewendet hatten; denn umsonst hätte auch 
das größte Heer Siebenbürgen geschützt, wenn die russischen Heere inzwischen 
siegreich unsere Schutzmauer durchbrochen hätten. Nur nachdem wir uns 
hier gesichert hatten und seit Anfang August beruhigt den Ereignissen auf 
der russischen Front, den dort noch immer im Zuge befindlichen gigantischen 
Kämpfen entgegenblicken konnten, durften wir daran denken, für Sieben- 
bürgen neue Truppen, neue Kräfte zu konzentrieren, um die Rumänen auf- 
zuhalten. Und ich glaube, niemand, der ohne Voreingenommenheit die Er- 
eignisse beurteilt, könnte uns deshalb Vorwürfe machen, niemand, auch der 
Regierung nicht, daß sie diese Reihenfolge der militärischen Maßnahmen 
befolgte. Aber vor mir steht der andere Vorwurf. Nun denn, wenn wir 
nicht die Kraft hatten, Siebenbürgen zu verteidigen, warum wurde die 
Evakuierung nicht schon früher in Angriff genommen? Glaubt mir, es ist 
dies eine Frage, welche mich nicht nur in einer schlaflosen Nacht beschäftigte, 
aber glaubt mir auch, daß die Lösung und die Antwort hier gleichfalls 
nicht so einfach ist. Wäre doch der Beginn der Evakuierung zu einer Zeit, 
als jedermann wußte, daß unsere Grenzen ungeschützt sind, ein Zeichen für 
die allgemeine Flucht gewesen. Es wären schon damals jene verwirrenden
	        
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