Bie ötterreichisch- ungrische Monarchie. (Juni 5.—6.) 93
und in Anlehnung an die Monarchie wird als weitere Maßnahme in
dieser Richtung für notwendig erklärt. Was an erhöhtem und ausgiebigem
Schutze gegen künftige Erneuerung italienischer Angriffslust nötig erscheint,
sollen die Feldherren der Monarchie entscheiden. Als unbedingt geboten
wird schon jetzt die Befreiung der Donaustraße von willkürlichen Eingriffen
von Serbien oder von Rumänien her bezeichnet. Sowohl in Oesterreich
wie in Ungarn wird Sicherung freier Schiffahrt auf dem Adriatischen
Meere und auf der unteren Donau geradezu als ein Lebensinteresse der
Monarchie erklärt, für das durch Vereinbarungen über eine gemeinsame
Zollpolitik und ähnliche Abmachungen ernste Bürgschaften gewonnen werden
müssen. Weiter müsse für die teilweise Wiedererstattung der unermeßlichen
materiellen Opfer, die der Krieg der Monarchie aufnötigte, eine geeignete
Form gefunden werden, die nicht auf Rachsucht oder auf dauernde Schä-
digung ausgeht, sondern lediglich den Bedürfnissen der österr.-ung. Wirt-
schaftserneuerung entgegenkommt und durch sie bestimmt wird.
5.—6. Juni. (Osterr. Abgeordnetenhaus.) Geschäfts-
ordnungsreform.
Der Beschlußfassung unterliegen die von dem Geschäftsordnungsaus-
schusse angenommenen Vorschläge (s. S. 91 f.). Fast sämtliche Redner betonen
die Notwendigkeit der Reform im Interesse der Sicherung des österr.
Parlamentarismus. Nur die Abgg. Romanczuk und Lewickyi (Ruth.)
bedauern die Ausmerzung der Obstruktion, die Schutz gegen nationale
Bergewaltigung biete. Die Bestimmung des Entwurfs, die die Enthebung
der Abg. vom Militärdienst vorsieht, wird aus formalen Gründen, da mit
Ungarn wegen Schaffung gleichartiger Bestimmung in Verhandlung ge-
treten werden muß, im Interesse der glatten und dringlichen Erledigung
des Gesetzes gestrichen.
Einen breiten Raum der Verhandlung nimmt die von den tschechischen
Abg. geforderte Protokollierung der nichtdeutschen Reden ein.
Abg. Seitz (Soz.) erklärt, daß die deutschen Soz. bei Anerkennung der
Gleichberechtigung aller Nationen glaubten, daß die Frage vom Stand-
punkte der Zweckmäßigkeit gelöst werden müsse. Es sei heute unmöglich,
alle in nichtdeutscher Sprache gehaltenen Reden ohne weiteres dem Proto-
kolle einzuverleiben. Man könne nur wünschen, daß im Laufe der Zeit
im Kompromißwege eine Lösung gefunden werde, die alle Parteien billigten.
Es wäre höchst bedauerlich, wenn heute durch eine gewaltsame Entscheidung
Unstimmigkeiten ausgelöst würden, die das Werk der Geschäftsordnungs-
reform gefährden würden.
Schließlich wirk ein von dem Abg. Franta (Tscheche) gestellter An-
trag, wonach alle Reden wortgetreu in der Sprache, in der sie gehalten
wurden, in das Protokoll aufzunehmen sind, in namentlicher Abstimmung
mit 203 gegen 185 Stimmen angenommen. Im übrigen werden die Aus-
schußvorschläge in erster und zweiter Lesung genehmigt.
In einer Anfrage an den Präsidenten protestieren die Abgg. Stanek
(Tscheche) und Seitz (Soz.) dagegen, daß ein Offizier des Kriegsministeriums
und ein Beamter des Ministeriums des Aeußern die Reden der Abg.
zensurierten. Der Präsident stimmt zu, daß niemand außerhalb des
Hauses das Recht zustehe, die im Hause gehaltenen Reden zu kontrollieren
und zu zensurieren. Mit Rücksicht aber auf die kriegerischen Ereignisse
und außenpolitischen Verhältnisse erscheine es notwendig, seitens des Prä-
sidiums vorzusorgen, damit nicht Nachrichten in die Presse gelangen, die
das Land schädigen könnten. Die betreffenden Beamten seien bloß Beiräte
des Präsidiums und hätten in keiner Weise irgendeine Entscheidung zu