94 Die ãsterreiqisq ·nngarise Menarqit. (Juni 6.—11.)
treffen, sondern lediglich beratende Stellung. Er werde die Rechte des
Hauses gegen jeden Eingriff unbedingt wahren.
Ueber die Annahme des Antrages Franta herrscht unter den
deutschen Abg. starke Verstimmung, da sie hierin ein Abgehen von dem
Kompromiß bezüglich der Geschäftsordnungsreform erblicken, und da die
Deutschen selbst im Interesse der Durchführung der Reform darauf verzichtet
haben, das Deutsche als Verhandlungssprache ausdrücklich festzulegen.
Nachdem eingehende Verhandlungen zwischen den Parteien über ein
Kompromiß in der Frage der Protokollierung nichtdeutscher Reden statt-
gefunden haben, wird am 6. die Geschäftsordnungsreform mit der noti-
wendigen Zweidrittelmehrheit gegen die Stimmen des Deutschen National-
verbandes in der am Vortage beschlossenen Fassung angenommen.
Ein von dem Abg. Leo (Pole) gemäß einer in der Besprechung der
Obmänner getroffenen Vereinbarung gestellter Antrag, daß Uebersetzungen
der nichtdeutschen Reden in das stenographische Protokoll ausgenommen,
dagegen der sprachliche Wortlaut in einem Anhang zu dem Protokoll ver-
öffentlicht werden soll, wird dem Geschäftsordnungsausschuß überwiesen.
Im Abgeordnetenhause kommt der Antrag jedoch nicht mehr zur Ver-
handlung.
6. Juni. Dank des Kaisers an die Arzte.
Kaiser Karl unterzeichnet einen Erlaß, in dem er der gesamten
Aerzteschaft seine uneingeschränite Anerkennung für die auf dem Gebiete
der Seuchenbekämpfung erzielten großartigen Erfolge ausspricht.
8. Juni. (Ungarn.) Kaiser Karl betraut den Grafen Moritz
Esterhazy mit der Neubildung des Kabinetts.
Am gleichen Tage finden in Budapest große Kundgebungen für das
allgemeine Wahlrecht statt. Eine Abordnung überreicht Kaiser Karl, der
an diesem Tage in B. weilt, eine Huldigungsadresse wegen seiner Stellung-
nahme in der Wahlrechtsfrage.
Die Ernennung des Grafen Esterhazy kommt den politischen Kreisen
vollkommen überraschend, wird jedoch günstig ausgenommen. Die Wabhl
Esterhazys, der einen gemäßigten Standpunkt einnimmt, wird als ein
Versuch gedeutet, zwischen den Verfassungsparteien und der Nationalen
Arbeitspartei ein Kompromiß zustande zu bringen. E. ist Mitglied der
Verfassungspartei des Grafen Julius Andrassy und steht im 37. Lebens-
jahre. Er hat sich im Abgeordnetenhause durch sein gründliches Wissen
und sympathische Stellungnahme in verschiedenen sozialen Fragen wieder-
holt bemerkt gemacht. Anfangs Mai (s. S. 73) hat Graf Tisza ihn ver-
geblich zum Eintritt in das Kabinett aufgefordert.
8. Juni. (Kroatien.) Banus Baron Skerlecz überreicht
Kaiser Karl sein Entlassungsgesuch.
Sein Nachfolger wird der pens. Obergespan A. Mihalovich.
11. Juni. (Osterr. Herrenhaus.) Geschäftsordnungsgesetz.
Das Gesetz über die Geschäftsordnung des Reichsrates wird nach
längerer Debatte in der vom Abgeordnetenhause beschlossenen Fassung in
allen drei Lesungen angenommen. Die autonome Geschäftsordnung des
Abgeordnetenhauses, dic den Sprachenparagraphen enthält, untersteht nicht
der Beschlußfassung des Herrenhauses.
Ein bezüglich der parlamentarischen Verhandlungssprache
gestellter Zusatzantrag, wonach bis zum Zustandekommen einer anderweitigen
gesetzlichen Regelung des sprachlichen Verkehrs es für die Verhandlungen