Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

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Veröffentlichung vorzunehmen. Daraufhin greift de Rabours Schultheß 
an, dessen Politik wie diejenige des ganzen Bundesrats einseitig nach Deutsch- 
land orientiert sei. Bundesrat Schultheß lehnt den Vorwurf einseitiger 
Begünstigung der Zentralmächte auf das entschiedenste ab. Der Nationalrat 
lehnt schließlich den Antrag mit 66 gegen 43 Stimmen ab. 
11. Dez. (Bundesversammlung.) Wahl des Bundespräsidiums. 
Die vereinigte Bundesversammlung wählt mit 142 Stimmen zum 
schweiz. Bundespräsidenten für 1919 den Bundesrat Gustav Ador- 
Genf (geb. 1845, bish. Chef des Departements des Innern). 39 Stimmen 
fallen auf Bundesrat Müller, je 3 auf die Bundesräte Haab, Schultheß 
und Motta. Zum Vizepräsidenten des Bundesrats wird Bundesrat 
Motta-Tessin (geb. 1871, bish. Chef des Finanzdepartements) mit 159 
Stimmen gewählt. Als Bundeskanzler wird der bish. Vizekanzler 
v. Steiger gewählt. Das Bundesgericht wird in corpore bestätigt und 
Picot-Genf zum Bundesgerichtspräsidenten gewählt. Ferner wird das 
Rücktrittsgesuch des Generals Wille (s. o.) genehmigt. 
Ueber den neuen Bundespräsidenten schreibt das „Berner Tagebl.“: 
Herr Ador ist gewählt worden aus dem Drange und Druck der politischen 
Lage heraus, die auf uns dringt, Rücksichten zu nehmen, Verbindungen zu 
befestigen, Sympathien zu suchen. Der Verband ist heute allmächtig und 
schickt sich an, seine Gunst nach den Sympathien zu bemessen, die man ihm 
entgegenbringt. Herr Ador hat sich während des ganzen Krieges als ein 
wahrer Freund des Verbandes erwiesen. Er wird also beim Verband 
persona grata sein und die Schwierigkeiten, die unsfrer Versorgung und 
unserm Wirtschaftsleben entstanden sind, besser als irgend jemand er- 
leichtern können. 
Am 16. verteilt der Bundesrat die Departements für 1919 
folgendermaßen: Politik: Calonder, Stellvertreter Motta; Inneres: Ador, 
Stellvertreter Müller; Justiz und Polizei: Müller, Stellvertreter Decoppet; 
Finanzen und Zoll: Motta, Stellvertreter Haab; Militär: Decoppet, Stell- 
vertreter Ador; Volkswirtschaft: Schultheß, Stellvertreter Calonder; Post und 
Eisenbahn: Haab, Stellvertreter Schultheß. Der Bundesrat faßt ferner den 
Beschluß, wonach, in Abweichung des Beschlusses v. 26. Juni 1917 (s. Gesch Kal. 
1917 Tl. 2 S. 554 f.), ausnahmsweise die Leitung des politischen Departe- 
ments auch einem anderen Mitglied des Bundesrats als dem Bundes- 
präsidenten übertragen werden kann, aber demselben Mitglied nicht länger 
als zwei Jahre. 
11.—12. Dez. (Nationalrat.) Streikdebatte. 
Der Nationalrat befaßt sich in zweitägiger Debatte mit dem General- 
streik v. Nov. (s. S. 338) im Anschluß an Interpellationen der Soz., die 
sich gegen das Truppenaufgebot richten. Dabei geben die bürgerlichen 
Mitglieder des Nationalrates folgende Schlußerklärung ab: 1. Das Truppen- 
aufgebot, das wegen des verbrecherischen Landesstreiks erfolgte, war eine 
zwingende Notwendigkeit, einerseits um die Arbeitswilligen gegen Ver- 
gewaltigung zu schützen, andererseits um die durch das aufrührerische Vor- 
gehen tatsächlich gefährdete Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten. 2. Für 
die tiefbedauerlichen Todesopfer, die die im Augenblicke des Truppen- 
aufgebotes herrschende Grippe-Epidemie bei unseren braven Soldaten er- 
forderte, sind die strafwürdigen Urheber des Landesstreiks verantwortlich. 
Das Schweizer Volk verlangt, daß die Anstifter und Organisatoren des 
Landesstreiks mit der ganzen Strenge des Gesetzes bestraft werden. 3. Das 
Schweizer Volk erwartet vom Bundesrate, daß er sein Läuterungswerk fort-
	        
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