Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

788 Anhaug I. Fiplematische Enthũlungen. 
Botschafters in der Türkei in einigen Fällen äußerst gefährlich werden. 
So kann eine Expedition nach Konstantinopel beispielsweise durch eine 
Anarchie in der türk. Hauptstadt und die Gefahr eines allgemeinen Blut- 
bades notwendig werden. Infolgedessen bittet Giers, festzustellen, wie weit 
die für die Ausführung notwendige Zeit bei entsprechender Vorbereitung 
gekürzt werden kann. Nemitz antwortet, daß alles von dem Grad der 
Bereitschaft der Handelsflotte für die Transportoperationen und ihrer 
Vorbereitung zur Mobilisation abhänge. Wenn die Schiffe der frei- 
willigen Flotte in entsprechender Weise militarisiert würden, so könne 
eine Division im Kriegszustande in einer Woche nach Konstantinopel ge- 
schafft werden. 
Der Minister des Aeußern drückt den Wunsch aus, daß der erste 
Echelon der Landungsarmee, d. h. das zusammengesetzte Korps, das inner- 
halb drei bis vier Tagen mobilisiert werden soll, sofort auf die Schiffe 
gesetzt und somit innerhalb vier bis fünf Tagen nach Erklärung der Mobili- 
sation nach dem Bosporus geschafft werde. 
Von der Beratschlagung der Maßregeln zur Vergrößerung der Handels- 
flotte im Schwarzen Meer bis zu einem Grade, die den Forderungen einer 
Landungsoperation für die Besitzergreifung der Meerengen entspricht, geht 
die Versammlung zur Frage über, unsere Schwarzmeerstreitkräfte in einen 
solchen Zustand zu versetzen, der ihnen das Uebergewicht über die otto- 
manische Flotte gibt und ihnen die Möglichkeit schafft, die Aufgabe des 
Durchbruchs durch die Meerengen zwecks ihrer Besetzung zusammen mit 
der Armee zu lösen. Der stellvertretende Chef des Marinestabes gibt das 
Kräfteverhältnis zwischen unserer Schwarzmeerflotte und den türk. Seestreit- 
kräften bekannt. Infolge der vom Marineressort getroffenen außergewöhn- 
lichen Maßregeln ist es gelungen, den Bau auf unseren Schwarzmeerwerften 
soweit zu beschleunigen, daß man damit rechnen kann, die Schiffe „Imperatiza 
Maria“ und „Alexander III.“ zum 1. Juli 1915 und 1. Sept. 1915 voll- 
ständig fertigzustellen, während die Kontrakte die Beendigung des Baues 
erst für 1916 festsetzen. Zu Ende des Jahres 1915 wird unsere Schwarz- 
meerflotte noch durch einen dritten Dreadnought desselben Typus „Je- 
katerina II.“ und im Jahre 1916 durch zwei Kreuzer verstärkt werden. 
Der Marineminister erklärt alsdann, weshalb es nicht gelungen sei, Brasilien 
von der für uns so ungünstigen Abtretung des Schiffes „Rio de Janeiro“ 
an die Türkei abzuhalten. Das Marineressort hatte seinerzeit die Frage 
des Ankaufs dieses Schiffes durch Rußland angeregt. Alsdann traf jedoch 
aus englischen Quellen die Nachricht ein, daß dieses Schiff nicht verkauft 
werde. Das Marineressort gibt sich jetzt alle Mühe, zu verhindern, daß 
noch andere Dreadnoughts durch Verkauf in die Hände der Türkei über- 
gehen. Seiner Kaiserlichen Majestät war es genehm, diese Erwägung gut- 
zuheißen und zu befehlen, die im Auslande befindlichen Dreadnoughts 
zu erwerben. Das Marineressort beschäftigt sich gegenwärtig mit der Er- 
wägung darüber, welche Schiffe gekauft werden können und zu welchen 
Bedingungen. 
Die Versammlung geht zum letzten Punkt der Tagesordnung über 
und zwar zu der Frage der Eisenbahnen im Kaukasus, insbesondere der 
sog. Gebirgs-Transversalbahn. Der Chef des Generalstabs weist darauf hin, 
daß, solange eine solche Bahn nicht im Bau verwirklicht worden ist, unsere 
Armee keine genügenden Verbindungen mit dem Hinterlande haben wird, 
falls uns ein Kampf an der türk. Grenze bevorsteht. Der Bau einer solchen 
Bahn ist auch notwendig, um die Bedingungen der Mobilisation im 
Kaukafus zu verbessern. Außer dieser Bahn sind noch einige andere stra- 
tegische Bahnbauten in Transkaukasien notwendig: durchgehendes Doppel-
	        
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