Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

3. Jur Kriegepolitik Gesterreitz-Augarns. 793 
muniqué des franz. Ministerratspräsidiums v. 6. d. M. mit Befriedigung 
das Zugeständnis entnommen, daß zwischen den beiden Vertrauensmännern 
der Regierungen Oesterreich-Ungarns und Frankreichs Besprechungen über 
die Friedensfrage stattgefunden haben. Die von Herrn Clemenceau gegebene 
Darstellung der Einleitung und des Verlaufes dieser Verhandlungen ebenso 
wie die von Herrn Painlevé in der „Humanité“ über den gleichen Gegen- 
stand veröffentlichte Erklärung weichen aber in vielen und wesentlichen 
Punkten dermaßen von den Tatsachen ab, daß eine eingehende Richtig- 
stellung des franz. Kommuniqués notwendig erscheint. Im Juli 1917 wurde 
Graf Revertera von einer neutralen Mittelsperson im Namen der franz. 
Regierung aufgefordert, mitzuteilen, ob er in der Lage wäre, Eröffnungen 
dieser Regierung an jene Oesterreich-Ungarns entgegenzunehmen. Als Graf 
Revertera diese Anfrage nach eingeholter Genehmigung noch im Juli 1917 
bejahte, traf am 7. Aug. 1917 im Auftrage des damaligen franz. Kriegs- 
ministers Painlevé und mit Genehmigung des damaligen franz. Minister- 
präsidenten Ribot der Major Graf Armand bei dem mit ihm weitläufig 
verwandten Grafen Revertera in Freiburg ein. Graf Armand richtete nun 
an den Grafen Revertera die Anfrage, ob zwischen Frankreich und Oester- 
reich-Ungarn Besprechungen möglich wären. Die Initiative zu dieser An- 
knüpfung ist also von franz. Seite ausgegangen. Von dieser im Auftrage 
der franz. Regierung gestellten Anfrage hat Graf Revertera dem k. u. k. 
Minister des Aeußern Meldung erstattet, welcher hierauf den Grafen 
Revertera ersuchte, die Besprechungen mit dem franz. Vertrauensmann auf- 
zunehmen und im Lause derselben festzustellen, ob hierdurch die Grund- 
lagen für die Herbeiführung eines allgemeinen Friedens geschaffen werden 
könnten. Graf Revertera trat sodann am 22. und 23. Aug. 1917 in Be- 
sprechungen mit dem Grafen Armand ein, die jedoch, wie Herr Clemenceau 
ganz richtig erklärt, kein Ergebnis lieferten. Hiermit brachen diese Ver- 
handlungen ab. Wenn Herr Clemenceau behauptet, daß bei seinem Amts- 
antritt Besprechungen zwischen dem Grafen Revertera und dem Grafen 
Armand im Gange gewesen seien, so ist dies unrichtig. Erst im Jan. 1918 
nahm Graf Armand, diesmal im Auftrage Herrn Clemenceaus, mit dem 
Grafen Revertera neuerlich Fühlung. Der im Aug. 1917 abgerissene Faden 
ist also von Herrn Clemenceau selbst im Jan. 1918 wieder ausgenommen 
worden. Aus dieser neuerlichen Fühlungnahme ergaben sich dann die im 
amtlichen Kommunigqué v. 4. April 1918 mitgeteilten Besprechungen. Richtig 
ist, daß Graf Revertera dem Grafen Armand bei diesem Anlaß am 23. Febr. 
1918 eine Aufzeichnung übergab, von welcher Herr Clemenceau nur den 
ersten Satz zitiert, und die bestätigt, daß Graf Revertera bei den im Aug. 
1917 stattgehabten Besprechungen mit dem Grafen Armand den Auftrag 
hatte, zu konstatieren, ob von der franz. Regierung Vorschläge zu erhalten 
seien, welche, an die Adresse Oesterreich--Ungarns gerichtet, die Grundlagen 
für einen allgemeinen Frieden bilden würden und die Oesterreich-Ungarn 
seinen Verbündeten zur Kenntnis bringen könnte. 
Es entspricht somit durchaus den Tatsachen, wenn Graf Czernin in 
seiner Rede am 2. April l. J. erklärt hat, „Herr Clemenceau hat einige 
Zeit vor Beginn der Westoffensive bei mir angefragt, ob ich zu Verhand- 
lungen bereit sei und auf welcher Basis.“ Der gegen den Grafen Czernin 
von Herrn Clemenceau erhobene Vorwurf der Lüge ist demnach auch in 
jener Einschränkung, welche das vorliegende Kommuniqué der franz. Re- 
gierung vornimmt, nicht aufrechtzuerhalten. Von „Bitten um einen an- 
geblichen Separatfrieden“, mit welchem Oesterreich-Ungarn die Regierungen 
in Rom, Washington und London ermüdet habe, ist der österr.-ung. Re- 
gierung nichts bekannt. Richtig ist dagegen, daß in der Schweiz zwischen
	        
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