78 PRie österreichisch= ungarische Monarchie und die Nachfolzestaaten. (Okt. 21.)
österreichs auszuarbeiten und den Entwurf einer Gemeindeordnung und
einer demokratischen Gemeindewahlordnung für die deutschösterr. Gemeinden
der Nationalversammlung vorzulegen hat. 5. Einen Ernährungsausschuß
zu wählen, der der Nationalversammlung Maßregeln zur Bekämpfung der
Lebensmittelnot vorzuschlagen hat, und der ermächtigt wird, im Einver-
nehmen mit dem Vollzugsausschusse Verhandlungen mit der österr. Regierung,
mit den Vertretern der anderen Nationen Oesterreichs und mit ausländischen
Regierungen über die Sicherung der Lebensmittelzufuhren nach Deutsch-
österreich zu führen. 6. Einen volkswirtschaftlichen Ausschuß zu wählen, der
die wirtschaftlichen und staatsfinanziellen Auseinandersetzungen mit den
anderen Nationen vorzubereiten und der Nationalversammlung die in dieser
Hinsicht erforderlichen Vorschläge zu machen hat. 7. Einen kriegswirt-
schaftlichen Ausschuß zu wählen, der die wirtschaftlichen und sozialpolitischen
Maßregeln, die die Ueberleitung der Kriegs= in die Friedenswirtschaft er-
fordert, vorzubereiten und der Nationalversammlung die erforderlichen An-
träge zu stellen hat. Alle diese Ausschüsse sollen berechtigt sein, zu ihren
Arbeiten Fachmänner heranzuziehen und die vorbereitenden Arbeiten Bei-
räten, die aus Fachmännern zu bilden sind, zu übertragen. Der Vollzugs-
ausschuß wird ermächtigt, die zur Durchführung dieser Arbeiten erforder-
lichen Ausgaben zu bestreiten und zu diesem Zwecke Darlehen aufzunehmen.
Nach Annahme des Beschlußantrags erklärt Präsident Seitz, daß hiermit
die Prov. Nationalversammlung der Deutschen Oesterreichs gebildet sei.
Sodann geben die Führer der einzelnen Parteien prinzipielle Er-
klärungen ab. Die Soz. treten für die demokratische Republik ein, die
übrigen Parteien für eine monarchische Staatsform. Eine demokratische
Verfassung wird von allen Parteien für notwendig erklärt. Zunächst erklärt
Abg. Viktor Adler namens der deutschen Soz. deren Willen, einträchtig
mit den übrigen Mitgliedern der Nationalversammlung ihre Pflicht zu er-
füllen, ohne jedoch die Prinzipien der Soz. aufzugeben. Er verliest eine
Erklärung, welche zunächst den slaw. und roman. Genossen einen brüder-
lichen Gruß entbietet. Die Erklärung drückt die Bereitschaft aus, mit den
übrigen Nachbarvölkern sich zu einem freien Völkerbund zu vereinen, wenn
sie es unter annehmbaren Bedingungen wollen, sonst müßte der deutsch-
österr. Staat sich als Sonderbundesstaat dem Deutschen Reich angliedern.
Die Erklärung betont schließlich, daß die Soz. mit den bürgerl. Parteien keinen
Burgfrieden schließen, daß sie zwar an dem Neubau des deutschösterr. Staates
mitarbeiten, aber auch dafür sorgen wollen, daß dieser Staat ein demo-
kratischer Staat werde. — Abg. Frhr. v. Pantz erklärt namens der Deutschen
Unabhängigkeitspartei, daß die Errichtung eines Bundesstaates mit den
übrigen Völkern der Donaumonarchie nicht in Frage kommen könne, weil
das Recht auf Unabhängigkeit und Selbständigkeit, das alle Völker an sich
genommen, im Widerspruch mit dem Wesen von bundesstaatlichen Einrich-
tungen stehe. Er spricht den Wunsch nach innigstem Verhältnis Deutsch-
österreichs zum Deutschen Reiche aus. — Abg. Schraffl (Christl.-soz.) spricht
für Festhalten an der monarchischen Regierungsform und für eventuelle
Vereinigung mit den anderen österr. Völkern zu einem Bundesstaat. — Abg.
Knirsch (Deutsche Arbeitspartei) lehnt den Bundesstaat ab und fordert
Anschluß an das Deutsche Reich. — Abg. Dr. Steinwender (Verband der
deutschnat. Parteien) erklärt, die Deutschen ständen in voller Einigkeit auf
dem Boden der Selbständigkeit und blieben überzeugte Anhänger der mon-
archischen Staatsform. Der Staat Oesterreich werde sein Verhältnis zu
Deutschland und den anderen Nationen in freier Selbstbestimmung ordnen.
Auf Antrag des Abg. Dr. Freißler wird einstimmig die Wahl von
20 Abgeordneten in den Vollzugsausschuß vorgenommen. Der Vollzugs-