Full text: Die Hausgesetze der regierenden Deutschen Fürstenhäuser. Dritter Band: Sachsen, Schwarzburg, Waldeck, Württemberg, Zollern. (3)

556 Einleitung. 22 
Von dem ursprünglichen Inhalte des burggräflichen Amtes behielten die 
Burggrafen übrigens noch den wichtigsten Theil in dem Landrichteramte. 
Allerdings ist es unrichtig, den Burggrafen als Inhaber oberstrichterlicher Funk- 
tionen im ganzen Frankenlande darzustellen, das Nürnberger Landgericht einem 
kaiserlichen Hofgericht gleichzustellen. Vielmehr nahm das Nürnberger Land- 
gericht nur die Stellung einer vom Reiche unmittelbar verliehenen Grafschaft 
ein, so wurde die Burggrafschaft auch bezeichnet als „comicia Burggravii de 
Nurenberch“, sie war eine burggräfliche Grafschaft, die Burggrafen wurden häufig 
schlechthin „Grafen“ genannt. Der eigentliche Sitz des Landgerichts war Nürn- 
berg selbst, doch wurde dasselbe zuweilen anderwärts z. B. zu Fürth, zu Ka- 
dolzburg abgehalten; der Gerichtsbezirk umfasste im 13. und 14. Jahrh. den 
östlichen Theil des fränkischen Kreises und die angrenzenden westlichen Theile 
Bayerns bis nach Regensburg im Süden und nach Eger im Norden, wahrschein- 
lich Bestandtheile der ehemaligen fränkischen Markgrafschaft. In diesem Land- 
richteramt „comicia burggravii in Nurenberch“ und den damit verbundenen 
wichtigen Rechten lag der Schwerpunkt der burggräflichen Macht. Ein wirk- 
liches Territorium mussten sich die Burggrafen erst Schritt für 
Schritt hinzu erwerben. Bei vielen deutschen Territorien beruhte die Aus- 
dehnung des Landes wesentlich auf der Ausdehnung eines ursprünglichen Amts- 
sprengels, nicht ‘also beim Burggrafthum Nürnberg. Das burggräfliche Territo- 
rium ist gebildet durch successive, ganz unabhängig von dem burggräflichen 
Amte erfolgte Erwerbung und Vereinigung verschiedener Bestandtheile Die Bil- 
dung eines grossen Territoriums gelang den Burggrafen erst allmälig während 
des 13., 14. und 15. Jahrhunderts durch fortgesetzte Erwerbung einzelner Herr- 
schaften, Städte, Schlösser, Dörfer, Güter und Rechte auf privatrechtlichem 
Wege. Mit Ausnahme Konrads IV. verfolgten alle Burggrafen diesen langsamen 
und mühevollen, aber sicheren Weg zur Machterweiterung mit wunderbarer Kon- 
gequenz. Sparsamkeit und gute Wirthschaft gaben ihnen die Mittel an die Hand, 
fortwährend durch günstige Kaufgeschäfte ihr Gebiet zu arrondiren. Man hat 
dem Burggrafen Johann II. den Beinamen „Conquestor‘‘ gegeben, derselbe könnte 
mit gleichem Rechte allen Burggrafen gegeben werden. Es ist eine Anzahl 
von mehreren hundert Kaufgeschäften dieser Art auf uns gekommen. So er- 
scheinen fast alle Hauptorte als Gegenstände von urkundlich nachweisbaren pri- 
vatrechtlichen Geschäften. Auf diese Weise besassen die Burggrafen schon um 
die Mitte des 14. Jahrh. ein bedeutendes und ziemlich abgerundetes Territorium. 
Mit dem Ausdrucke „Burggrafschaft“ bezeichnete man um diese Zeit keines- 
wegs blos das burggräfliche Amt, sondern auch das ganze von den Inhabern die- 
ses Amtes erworbene Landgebiet. Es ist wohl kaum ein zweites Beispiel aus 
der Geschichte der deutschen Territorialbildung nachzuweisen, wo die Bildung 
von 8o bedeutenden Fürstenthümern, ohne besondere kaiserliche Verleihung, ohne 
Eroberungen, ohne den Anfall grosser Landschaften, blos durch allmälige privat- 
rechtliche Erwerbungen in so grossartiger Weise gelungen ist. Diese rein pa- 
trimoniale Hausmacht war durch keine Erinnerung an eine höhere Amtsqualität 
zusammengehalten. Die Güter vererbten sich als Immobilien nur im Mannes-
	        
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