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nach der alten Gewohnheit, wie solche seit Jahrhunderten in Franken bestanden
hat. Es handelt sich dabei um eine von Franken nach Brandenburg übertra-
gene Stammesgewohnheit des Hohenzollern-Nürnberger Hauses, die übrigens den
allgemeinen Grundsätzen des deutschen Fürstenrechts entspricht. Unter „ange-
fällen“ sind die heimfallenden Lehne zu verstehen, welche ebenfalls als Neo-
acquisita betrachtet werden. Mit ihnen kann der regierende Herr „seines Ge-
fallens handeln“, wo nicht hinsichtlich grösserer Fürstenthümer, wie Pom-
mern, Mecklenburg, etwas anderes vereinbart ist. Auch über die Vormund-
schaft der Unmündigen werden Bestimmungen getroffen und die Agnatentutel,
wie sie im Hause feststand, anerkannt. Beim Aussterben des Mannsstanımes
der einen Linie geht die Ausstattungspflicht der etwa hinterbliebengı Töchter
auf den Erwerber des betreffenden Landestheiles, wie eine Reallast, über.
Ausserdem enthält die Achillea noch eingehende Bestimmungen über gegenseiti-
gen Beistand in Krieg und Fehde, über Austräge in Familienstreitigkeiten, über
die gegenseitige Roechtshülfe der Unterthanen verschiedener Brüder u. S. w.
Trotz diesen genauen und weisen Bestimmungen enthält die Verfügung auch
Lücken, welche durch die Hausobservanz und andere Rechtsgrundsätze ergänzt
werden müssen. So fehlt es entschieden an einer Feststellung der Succession
in den drei neu zu begründenden Linien. Es heisst nur ganz im allgemeinen:
„Und ob es zufällen käme, dass der genannten Unserer Söhne einer oder zween
mit Todt abgiengen und einer oder mehr männlicher chelicher Leibeserben hin-
ter Ihn verlassen würden, so soll jeglicher Sohn seinen Vater erben;
ob es ja, ehe Wir mit Tode abgegangen sein, zu dem Falle käme, soll gleich-
wohl nach Unserem Tode jeglicher Sohn seinen Vater erben, obwohl derselbe
sein Vater, ehe denn Wir, mit Todt abgangen wäre“. Festgestellt ist hier nichts
als der Grundsatz, dass jeder Sohn seinen Vater repräsentirt, was wohl auch
auf die Enkel ausgedehnt werden muss, also das Linealsystem; es ist aber
unrichtig, wenn man behauptet, die Achillea habe das Recht der Erstgeburt ein-
geführt, welches bis dahin im burggräflichen Hause unbekaunt gewesen war.
Für die Linie des Sohnes, welcher mit der Kurwürde die märkischen Lande
erhielt, stand es allerdings durch die Goldene Bulle fest, für die beiden nach-
geborenen Linien des zweiten und dritten Sohnes war aber nichts angeordnet,
als dass stets in jeder Linie nur ein regierender Herr sein dürfte. Wie aber
dieser Eine zu bestimmen sei, darüber schwieg die Achillea und überliess es
somit der Anordnung von Fall zu Fall oder der Hausobservanz. Ausgeschlos-
sen war nur die weitere Theilung der beiden fränkischen Für-
stenthümer, die nach alter Hausobservanz in ihrer Integrität er-
halten werden mussten. Trotz diesen nicht zu verkennenden Lücken war
die Achillea ein bedeutsamer Fortschritt in der Entwicklung der brandenburgi-
schen Hausverfassung und wir tragen kein Bedenken zu wiederholen, was wir
bereits vor 30 Jahren in dem Rechte der Erstgeburt p. VI geschrieben haben: „Der
von dem Historiker oft wenig beachtete Akt, wodurch die Untheilbarkeit des
Staates grundgesetzlich festgestellt wurde, erscheint als der grösste Wendepunkt
in der Staatsgeschichte eines deutschen Territoriums. Keine Schlacht Fried-