Full text: Die Hausgesetze der regierenden Deutschen Fürstenhäuser. Dritter Band: Sachsen, Schwarzburg, Waldeck, Württemberg, Zollern. (3)

626 Einleitung. 92 
2. Die Regentschaft!), 
In der preussischen Verfassung wird die Regentschaft als ein rein öffent- 
lich-rechtliches Institut, als Bestandtheil des Verfassungsrechtes behandelt und 
von der Vormundschaft über die Person und das Vermögen des minderjährigen 
Königs aufs Bestimmteste geschieden. Die Vormundschaft über den minder- 
jährigen Nachfolger kann durch letztwillige Verfügung des Königs auf eine 
andere Person als den nächsten Agnaten übertragen werden, nie aber die Re- 
gentschaft. Beide können daher in einer Hand vereinigt sein, sich aber auch in 
verschiedenen Händen befinden. Der gewöhnliche Fall, in welchem eine Regent- 
schaft eintritt, ist die Minderjährigkeit des Königs, s. g. ordentliche Re- 
gentschaft. Ausserdem ist aber in der preussischen, wie in allen neueren 
Verfassungsurkunden anerkannt, dass ausser dem Falle der Minderjährigkeit 
auch dann eine Regentschaft eintreten soll, wenn „der König sonst dauernd ver- 
hindert ist, selbst zu regieren“, ohne dass die Gründe der Verhinderung einzeln 
aufgezählt werden. A.56 der VU. (Ausserordentliche Regentschaft.) Un- 
zweifelhaft gehören dahin schwere körperliche und geistige Gebrechen, die zur Re- 
gierung unfähig machen, ebenso langdauernde Abwesenheit des Monarchen von 
seinem Lande, besonders eine gezwungene, z. B. Kriegsgefangenschaft, wo der 
Monarch für die Ausübung der Staatsgewalt während seiner Abwesenheit keine 
Vorsorge getroffen hat, auch nicht treffen kann. Wo übrigens wie nach den meisten 
neueren Verfassungen auch nach der preussischen, keine Art von geistigen und 
körperlichen Gebrechen von der Succession selbst ausschliesst, ist es gleichgültig, 
ob ein solcher Verhinderungsgrund beim Anfalle der Krone vorhanden ist oder 
erst während der Dauer der Regierung eintritt. Ueber die Grundsätze der Regent- 
schaft verfügen die Art. 56-58 der preussischen Verfassung in folgender Weise: 
A. 56: „Wenn der König minderjährig oder sonst dauernd verhindert ist, 
selbst zu regieren, so übernimmt derjenige volljährige Agnat, welcher der Krone 
am nächsten steht, die Regentschaft. Er hat sofort die Kammern zu berufen, die 
in vereinigter Sitzung über die Nothwendigkeit der Regentschaft beschliessen. 
Art. 57: Ist kein volljähriger Agnat vorhanden und nicht bereits vorher gesetz- 
liche Fürsorge für diesen Fall getroffen, so hat das Staatsministerium die Kam- 
mern zu berufen, welche in vereinigter Sitzung einen Regenten erwählen. Bis 
zum Antritte der Regentschaft von Seiten desselben führt das Staatsministerium 
die Regierung. A. 58: Der Regent übt die dem Könige zustehende Gewalt in 
dessen Namen aus. Derselbe schwört nach Einrichtung der Regentschaft vor 
den vereinigten Kammern einen Eid, die Verfassung des Königreichs fest und 
unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Ge- 
setzen zu regieren. Bis zu dieser Eidesleistung bleibt in jedem Falle das be- 
stehende gesammte Staatsministerium für alle Regierungshandlungen verant- 
wortlich.“ 
Am einfachsten liegt die Sache, wenn sich schon bei Lebzeiten des Königs 
  
  
1) Vergl. auch hier meine ausführliche Darstellung im preussischen Staatsrechte B. I Kap. I 
Abschn. Ill 8. 211—224.
	        
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