Full text: Die Hausgesetze der regierenden Deutschen Fürstenhäuser. Dritter Band: Sachsen, Schwarzburg, Waldeck, Württemberg, Zollern. (3)

93 Einleitung. 627 
beim Thronfolger ein derartiger Verhinderungsgrund gezeigt und der regierende 
König mit Einwilligung der Volksvertretung über den künftigen Eintritt der 
Regentschaft gesetzliche Vorsorge getroffen hat. Schwieriger ist es, wenn eine 
solche gesetzliche Bestimmung nicht vorliegt. Nach preussischem Staatsrechte 
steht alsdann die Initiative zur Einsetzung einer Regentschaft dem nächsten 
Agnaten, bez. dem Staatsministerium, die definitive Entscheidung über 
die Nothwendigkeit einer ausserordentlichen Regentschaft der Volksvertretung 
zu. In Preussen ist man dem deutschen Rechtsbewusstsein, den Bestimmungen 
der goldenen Bulle und des alten Hausrechts treu geblieben, indem A.56 „den- 
jenigen Agnaten beruft, welcher der Krone am nächsten steht.“ Unzweifelhaft 
ist dies derjenige Agnat, welcher nach der in der königlichen Familie geltenden 
Successionsordnung, also nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen 
Linealfolge, nach dem Tode des verhinderten Monarchen zur Succession ge- 
langen würde Wenn kein regierungsfähiger Agnat vorhanden und auch keine 
specielle gesetzliche Anordnung, bei Lebzeiten des Vorgängers, über die Regent- 
schaft getroffen ist, so sind die Kammern berechtigt, in einem solchen Falle den 
Regenten zu wählen, ohne dass sie dabei auf einen bestimmten Kreis von wähl- 
baren Personen beschränkt sind. Nur muss die Regentschaft stets einer 
physischen Person übertragen werden. Ein Regentschaftskollegium oder eine 
Mitregentschaft wäre gegen den Geist des monarchischen Staatsrechtes. In 
wahrhaft grossstaatlichem und ächt monarchischem Sinne hat die preussische 
Verfassung A. 58 die staatsrechtliche Stellung des Regenten geregelt, indem sie 
dem Regenten ganz einfach und ausnahmslos „die Ausübung der dem Könige 
zustehenden Gewalt einräumt“, ohne ihn dabei irgend einer anderen Beschrän- 
kung zu unterwerfen, als den König selbst. Er ist daher unzweifelhaft berech- 
tigt, auf verfassungsmässigem Wege auch Verfassungsänderungen vorzunehmen, 
wie der König selbst. Der Regent ist konstitutionelles, wenn auch nur 
interimistisches Staatsoberhaupt und daher auch im staatsrechtlichen 
Sinne unverantwortlich; auch nach Beendigung der Regentschaft kann der 
gewesene Regent nicht juristisch wegen seiner Regierungshandlungen zur Ver- 
antwortung gezogen werden, auch nicht von dem volljährig gewordenen Könige, 
welcher die Regierungshandlungen desselben nach denselben Grundsätzen aner- 
kennen muss, wie die jedes legitimen Regierungsvorgängers. Kurz, dem preus- 
sischen Regenten kommen alle praktisch bedeutsamen Befugnisse und Attribute 
der königlichen Gewalt zu; es fehlt ihm nichts als der Titel und einzelne per- 
sönliche Ehrenrechte, weil diese Rechte nicht nothwendige Bestandtheile einer 
allseitig wirkenden Regierungsgewalt sind und weil der Regent seine Gewalt 
nicht definitiv, sondern nur interimistisch, nicht im eignen Namen, sondern im 
Namen des verhinderten Königs ausübt. Trotz seiner Selbstständigkeit in allen 
Regierungshandlungen erfolgen alle Ausfertigungen im Namen des verhinderten 
Königs und unter dessen Siegel, alle Münzen werden mit seinem Brustbild, 
Titel und Wappen geprägt. In der Zeit der Regentschaft des Prinzen von 
Preussen hatten alle Gesetze, Verordnungen und Ausfertigungen folgenden Ein-
	        
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