Full text: Die Hausgesetze der regierenden Deutschen Fürstenhäuser. Dritter Band: Sachsen, Schwarzburg, Waldeck, Württemberg, Zollern. (3)

97 Einleitung. 631 
Nach richtigen staatsrechtlichen Grundsätzen ist der Regent interimistisches 
Staatsoberhaupt und übt ohne Ausnahme die volle preussische Staatsge- 
walt aus. Gerade weil diese als die untrennbare Grundlage der deutschen 
Kaiserwürde gedacht ist, muss auch der preussische Regent von Rechtswegen 
interimistisches deutsches Staatsoberhaupt sein, solange die Verhinderung des 
zum Thron berufenen Monarchen dauert. Dem Regenten oder Reichsverweser 
geht von den kaiserlichen Rechten nichts ab, als der Kaisertitel, welchen 
der zur Ausübung der Regierungsrechte unfähige Monarch in Verbindung mit dem 
preussischen Königstitel zu führen hat. Aber nur über den Erwerb der 
Kaiserwürde entscheidet das preussische Staatsrecht; das Kaiserthum als solches, 
seinem staatsrechtlichen Inhalte nach, ist keine preussische, sondern eine deutsche 
Institution, deren Befugnisse lediglich durch die Reichsverfassung bestimmt 
werden. 
Der Titel „Deutscher Kaiser“ ist dem eines Kaisers von Deutschland 
oder eines Kaisers der Deutschen vorgezogen worden; im diplomatischen Sprach- 
gebrauch nennt sich dagegen der Kaiser nicht „Empereur gerinanique“, sondern 
„Empereur d’ Allemagne“, nach dem Vorbilde der älteren deutschen Kaiser. Die 
Erblichkeit der Kaiserwürde findet darin ihren Ausdruck, dass auch der Kron- 
prinz von Preussen den Titel Kronprinz des deutschen Reiches und das Prädikat 
„Kaiserliche Hoheit“ führt, neben welchen Bezeichnungen der Titel „Kronprinz 
von Preussen“, resp. Königliche Hoheit beibehalten wird (Urk. XXIVb). Da 
sämmtliche Prinzen des preussischen Königshauses ein eventuelles Warterecht 
auch auf den deutschen Kaiserthron haben, so würde nichts entgegenstehen, 
ihnen allen das Prädikat „Kaiserliche Hoheit“ beizulegen, wie dies in andern 
Kaiserhäusern üblich ist. Mit dem Kaisertitel ist die Kaiserkrone, die Führung 
des kaiserlichen Wappens und der kaiserlichen Standarte verbunden. Diese In- 
signien sind festgestellt worden durch den Allerhöchsten Erlass vom 3. August 
1871!) (Urk. XXIVc). 
Da das Deutsche Reich die Stellung und die Ehren einer Macht ersten 
Ranges einnimmt, so bestimmen sich hiernach auch die Ehrenrechte seines Ober- 
haupts, als solchen im völkerrechtlichen Verkehre, also abgesehen von den 
gleichartigen Rechten, welche ihm als König von Preussen zustehen. Pekuniäre 
Ansprüche stehen dem Kaiser an das Reich nicht zu. Eine Civilliste existirt 
ebensowenig, wie im älteren deutschen Reiche. Die pekuniäre Ausstattung des 
deutschen Kaisers beruht lediglich auf seinen preussischen Einnahmen, besonders 
der Kronfideikommissrente, aus welcher die durch die Stellung des deutschen 
Kaisers verursachten Repräsentationskosten mit getragen werden müssen. Eben- 
sowenig gibt es bis jetzt einen kaiserlich deutschen FHofstaat, der vom preus- 
sischen verschieden wäre. Auch ertheilt der Kaiser als solcher weder Orden, 
noch Adelstitel; diese werden bis jetzt nur vom Könige von Preussen verliehen. 
Während so die neue deutsche Kaiserwürde an Ehrenrechten weit gegen die 
  
1) Graf Stillfried, die Attribute des neuen deutschen Reiches. Abgebildet, beschrieben 
und erläutert. Mit 16 Tafeln. 2. Aufl. Berlin 1874.
	        
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