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erwählt!), nahm er die Krone am 12. Juli an, übernahm die Regierung am
21. Juli desselben Jahres und vermählte sich am 9. August 1832 zun zweiten
Male mit der Prinzessin Luise von Orleans, Tochter des Königs der Franzosen.
Durch Weisheit und Umsicht wusste dieser seltene Fürst alle ihm entgegenstehen-
den Schwierigkeiten zu besiegen, die äusseren und inneren Angelegenheiten des
jungen Staates bald in geordnete Bahnen zu lenken und zeigte, was ein hochbe-
gabter staatsmännischer Geist, auch unter strengster Einhaltung aller konstitu-
tionellen Grundsätze, persönlich seinem Volke und Staate werden kann. Leo-
pold L ist nicht nur der erste König, sondern auch der wahre
Staatsgründer Belgiens geworden.
In Bezug auf die Thronfolge bestimmt die belgische Verfassung vom 7. Febr.
1831 8 60:
„Les pouvoirs constitutionels du roi sont hereditaires dans la descendance
directe, naturelle et l&gitime de S. M. L&opold-Georges - Chretien - Frederic de
Saxe-Cobourg de mäle en mäle, par ordre de primogeniture, et a l’exclusion
perpetuelle des femmes et de leur descendance“. 861: A defaut de descendance
ınasculine, il pourra nommer son successeur, avec l’assentiment des chambres, &mis
de la maniere prescrite par l’article suivant. S’il n’y a pas eu de nomination
faite d’apres le mode ci-dessus, le tröne sera vacant“. 8 62: „Le roi ne peut
etre en menme temps chef d’un autre &tat, sans l’assentiment des deux chambres.
Aucune des deux chambres ne peut deliberer sur ce sujet, si deux tiers au moins
des membres qui la composent ne sont presents et la r&solution n'est adoptee
qu’autant qu’elle r&unit au moins les deux tiers des suffrages“.
Das Successionsrecht des belgischen Königshauses beschränkt sich daher auf den
Mannsstamm K. Leopolds I.; an und für sich haben die Seitenverwandten des Hauses
Koburg kein Anrecht auf den belgischen Thron. Bei bevorstehendem Erlöschen des
Mannsstamms wird es aber dem König der Belgier nach $. 61 freistehen, auch
einen Prinzen des Hauses Koburg mit Zustimmung der Kammern, also kraft
eines Staatsgesetzes, zu seinem Nachfolger zu ernennen. An sich sind die Prin-
zen des belgischen Hauses auch successionsberechtigt in den Herzogthümern Ko-
burg und Gotha. Nur der König selbst könnte nach A. 62 der belgischen Ver-
fassung die Regierung der betreffenden Herzogthümer nicht übernehmen ohne Zu-
stimmung der belgischen Kammern. Würde aber diese auch ertheilt, so würde doch
A. 19 der gemeinschaftlichen Verfassung für Koburg und Gotha den König, als
Träger einer ausserdeutschen Krone, ausschliessen. Dagegen würden die nicht-
regierenden Glieder des belgischen Königshauses unzweifelhaft ihr Successions-
recht in den Herzogthümern Koburg und Gotha und den übrigen ihnen aunfallen-
den sächsischen Stammsbesitzungen geltend machen können, wenn sie durch die
verfassungsmässige und hausgesetzliche Successionsordnung dereinst beru-
fen werden sollten.
So sind alle Beziehungen der auf ausserdeutschen Thronen
1) Interessante Mittheiluugen über die Thronbesteiguug K. Leopolds giebt uns E. v. Stockmar
in den Denkwürdigkeiten aus den Papieren des Freiherrn Chr. E. v. Stockmar. Braunschw.
1872, bes. Kap. VII: Die belgische Sache Lis zum Vertrage vom 15. Nov. 1831.